Das Grundgesetz und die Verfassung
Ein weiterer Beitrag aus der
Serie:
Ein aktuelles Problem und seine nachhaltige Lösung.
(Oft handelt es sich um ein dauerhaftes und nie richtig gelöstes
Problem, das nun gerade jetzt hochgespielt wird.)
1. Die aktuelle
Situation:
1.1
Die Änderung des Grundgesetzes um Neuwahlen herbeizuführen
Nun
ist den Parteioberen (Franz Müntefering und Gerhard Schröder) nach der verloren
Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen offensichtlich nichts besseres eingefallen
als Neuwahlen auszurufen.
Neuwahlen sind in dem Grundgesetz eigentlich nicht
vorgesehen.
Über Neuwahlen entscheidet nicht der Bundeskanzler oder
der Vorsitzende der stärksten Regierungspartei der Koalition auch nicht beide
gemeinsam.
Über die Auflösung des Parlaments kann (!) der Bundespräsident
auf Vorschlag des Bundeskanzlers entscheiden.
Die Abgeordneten sind nun mal vom Volke für vier Jahre gewählt!
Der Bundespräsident kann (!) das Parlament trotzdem auflösen und damit
vorzeitig Neuwahlen erforderlich machen, wenn eine Voraussetzung erfüllt ist:
Auch ein Rücktritt des Bundeskanzlers ist im Grundgesetz
nicht vorgesehen.
Der Bundeskanzler muss im Parlament die Vertrauensfrage
stellen und dieser Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen,
darf im Bundestag nicht die
Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erhalten.
Unter dieser Voraussetzung kann (!) der Bundespräsident binnen 21 Tagen
den Bundestag auflösen. (Art. 68; GG)
Auch über die „Mehrheit der Mitglieder des Bundestages“ gibt es eine genaue
Festlegung im Grundgesetz: Es ist nicht die Mehrheit der anwesenden
Abgeordneten, sondern die Mehrheit der gesetzlich festgelegten Mitgliederzahl.
(Art. 121; GG)
Zu dieser Mitgliederzahl mit hoher Sicherheit auch die Überhang- und
Ausgleichsmandate mit, sie sind auch auf grund eines Gesetzes (Bundeswahlgesetz
)in den Bundestage eingezogen. Aber das sind wohl eher Feinheiten.
Nun gab es offensichtlich wegen der Frage der Neuwahlen ein Treffen zwischen
Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundespräsident Horst Köhler.
Über die Unterredung ist bisher nichts verlautbart worden und nichts nach außen
gedrungen. (Stand 4. Juni 2005)
Doch man redete plötzlich über eine Grundgesetzänderung, um die beabsichtigten
Neuwahlen herbeizuführen!
Besonders auf Seiten der Abgeordneten der Partei Bündnis 90/Die Grünen gab es
erhebliche Vorbehalte.
Alle Abgeordneten, die noch nicht ihre Abgeordneten-Pensionen sicher in der
Tasche haben und denen noch ein Jahr fehlt, sind in einer Zwickmühle!
Inzwischen sind mindestens drei Dinge über das Gespräch des Bundeskanzlers
Gerhard Schröder und dem Bundespräsidenten Horst Köhler bekannt geworden:
1.
Die Teilnehmer an dem Gespräch,
2.
Die Dauer des Gespräches von etwa 20 Minuten und
3.
Der Ausschluss des Rücktritts des Bundeskanzlers.
An der an der Unterredung zwischen dem Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem
Bundespräsidenten Horst Köhler sollen noch drei weitere Personen teilgenommen
haben. Es waren:
1.
der stellvertretende Leiter des Bundespräsidialamtes,
2.
der Justiziar des Bundespräsidialamtes
und
3.
der Kanzleramtschef (Staatsminister im Bundeskanzleramt ?) Frank Walter
Steinmeier.
(Quelle: Kanzler:
Druck aus eigenem Lager Grund für Neuwahlen“, Berliner Morgenpost vom 5.Juni
2005)
Man darf wohl aus all dem schließen, dass das Gespräch mit dem
Bundespräsidenten Horst Köhler nicht nach dem Wünschen von Bundeskanzler
Gerhard Schröder
verlaufen ist und nicht das gewünschte Ergebnis brachte.
Da für eine Änderung des Grundgesetzes eine so genannte „verfassungsändernde
Mehrheit“ von zwei Dritteln der
Mitglieder des Bundestages erforderlich ist, hofft man in dieser Frage
offensichtlich auf die Stimmen der Opposition! (Art. 79; GG)
Die Oppositionsparteien hätten dann die Chance, ein Jahr früher an die Macht zu
gelangen!
Nun ist die ganze Sache der Neuwahlen so wieso sehr merkwürdig:
Der Kanzler soll die Vertrauensabstimmung verlieren und mindestens einige
Abgeordneten sollen im das Vertauen entziehen; aber gleichzeitig will er mit
den vorgezognen Neuwahlen das Vertrauen der Wahlvolkes gewinnen.
Also kurz zusammengefasst: Das vom Kanzler erwünschte Misstrauen einiger
Abgeordneter der Koalition soll anschließend durch das Vertrauen des Wahlvolkes
wieder „geheilt“ werden.
o
Ist es nicht widersprüchlich, die Vertrauensfrage zu stellen, um ein
Misstrauensvotum zu erhalten und dann anschließend wieder um das
Vertauen
zu werben?
o
Ist das was man sich unter Basis-Demokratie vorzustellen hat?
o Muss man die Wähler gegen einige
Abgeordneten mobilisieren und gegeneinander ausspielen und das, obwohl doch
deren
Abstimmungsverhalten
erwünscht ist ?
o
Wird die Verfassung nicht ausgetrickst oder gar missbraucht?
1. Die aktuelle Situation:
1.2 Unser Grundgesetz und
die Europäische Verfassung
1. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Streng
genommen haben wir bis heute in der Bundesrepublik Deutschland keine
Verfassung.
Die
Väter des Grundgesetzes haben unsere höchste Ordnungsvorgabe als Grundgesetz
bezeichnet.
Das
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 wurde nach den
Worten der Präambel für ein Provisorium
geschaffen,
um dem staatlichen Leben für einen Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben.
Das
Grundgesetz soll seinen Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft
tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung
beschlossen
worden ist verlieren. (Art. 146; GG)
Nach
dem Willen der Verfassungsgeber bleibt das gesamte deutsche Volk aufgefordert
in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit
Deutschlands
zu vollenden. So steht es am Ende der Präambel.
(Quelle:
„Verfassung des Freistaates Bayern“ und „Grundgesetz für die Bundesrepublik
Deutschland“ herausgegeben von der Bayerischen Landeszentrale
für
politische Bildungsarbeit im Kapitel „Zur Einführung“, Seite 98)
So
haben wir die merkwürdige Situation, dass wir keine Verfassung für die
Bundesrepublik Deutschland haben wohl aber das
Provisorium
eines Grundgesetzes - und das seit mehr als 50 Jahren.
Die größte Chance eine Verfassung zu bekommen, war die
Wiedervereinigung.
Diese
Chance wurde vertan.
Nun
haben wir des weiteren die merkwürdige Situation, dass alle sechzehn
Bundesländer eine Verfassung haben aber keine
Verfassung
für die Bundesrepublik Deutschland.
Die einzelnen Landes-Verfassungen müssen dem Grundgesetz
entsprechen und dürfen nicht gegen das Grundgesetz verstoßen.
Es
dürfen in den einzelnen Landesverfassungen zusätzliche Festlegungen und
Präzisierungen vorgenommen werden, die in jedem Bundesland
anders
sein können.
2. Die
EU-Verfassung und die Merkwürdigkeiten
Auch
die Absicht, in der Europäischen Union eine gemeinsame Verfassung zu
installieren, ist durchaus lobenswert.
Die
erste Merkwürdigkeit:
Merkwürdig ist schon, dass ein Land, das selber über keine
Verfassung verfügt, über eine übernationale Verfassung entscheiden hat.
Bundestag
und Bundesrat haben gerade zugestimmt.
Die zweite
Merkwürdigkeit:
Merkwürdig ist, dass wir unsere Hausarbeiten nicht gemacht
haben, aber über eine Verfassung in europäischen Rahmen entscheiden haben.
Wir
haben unsere Hausaufgaben nicht gemacht und lösen bereits andere Aufgaben.
Die dritte Merkwürdigkeit:
Merkwürdig ist
weiterhin, – und dies ist wohl einmalig in der Geschichte – dass dies ein
Vertag zwischen vielen Staaten ist.
Ein
Staatsvertrag - zwischen mehreren Staaten ausgehandelt - , soll eine Verfassung
sein!
Damit
stellt sich die Frage der Legitimierung!
Dieser
Staatsvertrag muss von allen betroffenen Staaten ratifiziert werden!
Wenn
ein Staat nicht zustimmt, ist das Vertragswerk gescheitert.
Die vierte Merkwürdigkeit:
Merkwürdig ist weiterhin, dass die Verfahren zur
Ratifizierung in den betroffenen Staaten unterschiedlich ist.
Hier
eine Volksabstimmung (Frankreich, Niederlande), dort entscheidet das Parlament
oder die Organe der Gesetzgebung (Deutschland).
Bei
uns entscheiden die so genannten „Verfassungsorgane“, obwohl wir keine
Verfassung haben.
(„Grundgesetzorgane“
klingt zugegebener Maßen schlecht; „Organe des Grundgesetzes“ klingt schon
etwas besser. Es kommt aber meines Erachtens nicht
auf
schöne Formulierungen an, sondern auf präzise und treffgenaue Bezeichnungen;
schließlich handelt es sich um Recht sogar um das höchste Recht.
Schließlich
ist das Juristendeutsch gewiss nicht immer verständniserheischend.)
Nun kann es durchaus
verschiedene Wege zu dem selben Ziel geben; alle Wege können durch aus legitim
sein!
Aber
merkwürdig ist es schon!
1. Die aktuelle Situation:
1.3 Das Grundgesetz und die Ausländer
Man will hinzuziehende Ausländer auf unsere Verfassung verpflichten.
Oft wird noch hinzugefügt, dass sie auf unsere gemeinsamen Werte verpflichtet
werden sollen, die in der Verfassung niedergelegt sind.
Das soll eine bessere Integration ein besseres Miteinander ermöglichen - aber
auch der Verhinderung von Terrorismus dienen.
Welche gemeinsamen Werte sind hier gemeint?
Es fallen im Zusammenhang mit dieser Diskussion höchstens die folgenden Begriffe: Demokratie, Freiheit und
soziale Gerechtigkeit!
Das Grundgesetz wurde aber bisher schon sehr oft geändert.
[Siehe im Kapitel X Die Änderungen des Grundgesetzes]
Wenn man etwas dauernd ändert, kann man zumindest nicht behaupten, diese
Werte seinen dauerhaft oder nachhaltig verbindlich!
Damit stellen sich zwangsläufig mindestens zwei sehr schwer zu beantwortende
Fragen:
1.
Auf welche Werte will man einen Ausländer überhaupt festlegen?
2.
Wie will man die Festelegung oder Verinnerlichung auf diese allgemeinen
abstrakten und sehr hochrangigen Werte jemals überprüfen?
Das
geht nicht!
2. Die bisherigen Änderungen des Grundgesetzes
Das Grundgesetz wurde im
Laufe dieser Jahrzehnten immer mal wieder geändert.
Seit Mai 1949 ist das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland mindestens
schon 50 mal geändert worden!
Insgesamt sind etwa 164 Artikel verändert worden. Das Grundgesetz (vom 23. Mai
1949) hat aber nur 146 Artikel. Manche Artikel sind also sogar mehrmals
geändert worden!
(Quelle: „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“, Herausgeber: Deutscher Bundestag –
Verwaltung - Referat Öffentlichkeitsarbeit; Berlin 2001;
Stand
2000; Seiten 91 bis 93)
Besonders während der Zeit der
Großen Koalition von 1.12.1966 bis zum 20.10.1966 wurden viele
Veränderungen des Grundgesetzes
vorgenommen.
Die Große Koalition hat das Grundgesetz in 59 Artikeln verändert:
(In keiner Legislaturperiode wurden so viele Veränderungen vorgenommen wie in der Zeit der Großen Koalition.
In allen anderen 14 Legislaturperioden wurden das Grundgesetz zusammengezählt
nur in 105 Artikeln geändert; d. h. es wurden in jeder Legislaturperiode im Durchschnitt
nur etwa 8 (!) Veränderungen vorgenommen.)
Die Veränderungen durch die Grosse Koalition im Einzelnen:
40
Änderungen:
9,
10, 11, 12, 19, 20, 29, 35, 65 a, 73, 74, 75, 76, 76 (erneut), 77, 87 a, 91,
92, 93, 94, 95, 96 a wird 96, 96 neu, 96 (erneut),
96
(noch einmal), 99, 100, 105, 106, 107, 108, 109, 109 (erneut) , 110, 112, 113,
114, 115, 115 c, 115 k, 120,
15
Einfügungen:
12a,
53a, 80 a, 91 a, 91 b, 104 a und 115 a bis 115 l
4
Aufhebungen:
59
a, 96 (alt) , 142 a, 143
In fast jeder
Legislaturperiode wurden Änderungen vorgenommen.
Die Änderungen erfolgten immer punktuell.
Es wurde nie der Versuch unternommen einen neuen Entwurf aus einem Guss zu
formulieren zu beraten und zu beschließen.
o Die
Änderung der Grundrechte
Allein die Artikel 1 bis 19 Artikel [Die
Grundrechte] sind schon in der Zeit von 1951 bis 2000 sage und schreibe 17 mal
geändert worden.
(Quelle: „Grundgesetz
für die Bundesrepublik Deutschland“, Herausgeber: Deutscher Bundestag –
Verwaltung - Referat Öffentlichkeitsarbeit; Berlin 2001;
Stand
2000; Seiten 91 bis 93)
Diese Änderungen sind zwar
formaljuristisch und verfahrensmäßig korrekt verlaufen.
„Das Grundgesetz
kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes
ausdrücklich ändert oder ergänzt.“
(Artikel 79, Abs. 1, Satz 1 [Änderung des
Grundgesetzes])
„Ein solches Gesetz
bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der
Stimmen des
Bundesrates.“
(Artikel 79, Abs. 2,
Satz 1 [Änderung des Grundgesetzes])
Das Grundgesetz selbst verbietet aber
ausdrücklich die Änderung der in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten
Grundsätze!
„Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche (die Gliederung des Bundes
in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei
der
Gesetzgebung oder) die in den Artikeln 1 und
20 niedergelegten Grundsätze berührt
werden, ist unzulässig.“
(Artikel 79, Abs. 3, Satz 1 [Änderung des Grundgesetzes])
Diese
Grundsätze dürfen (nach Artikel 79, Abs. 3, Satz 1) nicht nur nicht geändert,
sie dürfen nicht einmal berührt werden!
Auch im ersten und ranghöchsten
Artikel des Grundgesetzes heißt es bereits:
„Die nachfolgenden
Grundrechte binden die Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als
unmittelbar geltendes Recht.“
(Artikel 1 Abs. 3, Satz 1 [Änderung des Grundgesetzes])
o Offene Fragen
1. Warum hält man sich nicht an das
Grundgesetz?
Wenn
die Gesetzgebung ausdrücklich an den Artikel 1, Satz drei gebunden ist, darf
doch kein Parlament davon abweichen!
2. Wenn kein Parlament ein Gesetz
verabschieden darf, das die Artikel 1 bis 19 verändert, warum hat man dies
trotzdem getan?
Man
hat ja nicht nur Gesetze verabschiedet, die die Artikel 1 bis 19 aufweichen und
aushöhlen, man hat sogar die Artikel 1 bis 19 selbst
verändert!
3. Wie konnte eine Mehrheit von
Zweidritteln im Deutschen Bundestag und im Bundesrat zustande kommen, wenn doch
alle Abgeordneten an
die
verfassungsmäßige Ordnung gebunden sind?
Der
Artikel 20 Abs. 3 schreibt dies doch ausdrücklich und zweifelsfrei vor.
4.
Konnte und musste diese Änderungen das Bundesverfassungsgericht nicht
verhindern?
[Hinweis: Über die Änderungen des
Grundgesetzes liegt einen detaillierte Ausarbeitung vor!
Sie
hat allerdings 252 KB oder 114 Seiten DIN A4. Interesse?]
3.
Missbräuchliche Berufung auf das Grundgesetzes
Viele berufen sich auf das Grundgesetz und sind dabei weit von der
Wahrheit entfernt.
Die Verfassung
wird leider gerade von hochrangigen Politikern absichtlich und zum eigenen
Nutzen falsch ausgelegt und interpretiert.
Fangen wir ganz oben an!
3.1 Die
„Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers“
Oft ist davon die Rede von der
„Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers“.
Es wird dann häufig hinzugesetzt:
„Der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland besitze die alleinige
Richtlinienkompetenz!“
Die Wahrheit ist einen völlig andere:
Der Bundeskanzler muss als oberster
Repräsentant der Exekutive das ausführen, was andere (das Parlament - also die
Legislative)
beschlossen
haben!
Die
Wahrheit ist auch, dass er innerhalb der Regierung also im Kabinett Richtlinien
bestimmen, die die Ausführung von Gesetzen betreffen.
(Quelle: VI. Die
Bundesregierung; Art. 65 [Richtlinienkompetenz, Ressort- und Kollegialprinzip]
Satz 1)
[Siehe
auch im meiner der Homepage unter „Falsche Begriffe: 5.12 „Richtlinienkompetenz
des Bundeskanzlers“. ]
3.2
Tarifhoheit, Tarifautonomie, Tarifpartner, Mitbestimmung, Arbeitgebervertreter
und Gewerkschaften
Alle diese Begriffe finden Sie im Grundgesetz
nicht!
Angesichts
der hohen Arbeitslosenzahlen und schrecklichen Erinnerung an die 12 schlimmsten
Jahre deutscher Geschichte, kommen
Politiker
immer mehr unter Druck etwas zu tun.
Auch
hochrangiger Politiker sagen oft, diese oder jene Entscheidung oder Maßnahme
lasse das Grundgesetz nicht zu, weil es ja die
verfassungsmäßig
garantierte Tarifautonomie gibt.
Es wird immer wieder behauptet, dass die Tarifpartner
(Arbeitgebevertreter und Gewerkschaftsvertreter) die Tarifhoheit hätten und
diese
Tarifhoheit
durch das Grundgesetz geschützt sei.
Das
ist so nicht richtig!
Das Wort „Tarifautonomie“ finden
wir in der Verfassung nicht.
In
der Verfassung steht dazu folgendes:
„Alle Deutschen haben das recht,
Vereine und Gesellschaften zu bilden.“
(Quelle: Artikel 9, Absatz 1, GG)
„Das
Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen
Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann
und für alle Berufe gewährleistet.
(Quelle: Artikel 9, Absatz 3, Satz 1; GG)
Und
weiter heißt es:
„Maßnahmen nach den Artikeln 12 a,
35 Abs. 2 und 3., Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen
Arbeitskämpfe richten,
die zur Wahrung und Förderung der Arbeits-
und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen
im Sinne des Absatzes 1 geführt werden.“
(Quelle:
Artikel 9, Absatz 3, Satz 3; GG)
Bewertung:
Die
Bildung von Gewerkschaft ist wohl für jedermann und für alle Berufe möglich.
Das Wort „Gewerkschaft“ kommt (aber) im Grundgesetz
an
keiner Stelle vor. Es ist von „Vereinigungen“ die Rede.
Diese
„Vereinigungen“ dürfen die Arbeitsbedingungen für alle Berufe wahren und
fördern.
Zu
Durchsetzung der Wahrung und Förderung der Arbeitsbedingungen und
Wirtschaftbedingungen sind Arbeitskämpfe (sprich: Streiks)
zulässig.
Diese Arbeitskämpfe sind besonders geschützt. Von Löhnen und Arbeitszeiten ist
expressis verbis nicht die Rede!
3.3 Vermittlungsausschuss
Diesen Vermittlungsausschuss gibt es im Grundgesetz nicht.
Sie finden in der Verfassung nicht ein einziges mal das Wort
„Vermittlungsausschuss“!
Dafür gibt es den so genannten
„Gemeinsamer Ausschuss“; diesen allerdings gleich doppelt.
Es
gibt ihn unter Kapitel IV a Gemeinsamer Ausschuss in Art. 53 a und im Kapitel X
a Verteidigungsfall in Art. 115 e.
Hier
beziehen sich beide Artikel auf den Verteidigungsfall.
Außerdem
gibt es einen „für die gemeinsame Beratung von Vorlagen gebildeter Ausschuss“
im Kapitel VII. Gesetzgebung des Bundes in
Artikel
77.
Es ist nur die Rede von einem „für
die gemeinsame Beratung von Vorlagen gebildeter Ausschuss“, dessen Einberufung
binnen drei Wochen
vom
Bundesrat oder vom „Bundestag und der Bundesregierung“ verlangt werden kann.
(Artikel 77, Abs.
2; GG)
Trotzdem hat er zunehmend eine immer
größer werdende Bedeutung:
Kaum
ein Gesetz, das im Bundesrat zustimmungspflichtig ist, geht nicht in den so
genannten Vermittlungsausschuss.
Er
tagt nicht öffentlich.
Immer
mehr Gesetze werden also im geheimen und ohne öffentliche Kontrolle
beschlossen.
Transparents,
Übersichtlichkeit und persönliche Verantwortung bleiben auf der Strecke.
Der
Demokratie wird schwerer Schaden zugefügt.
Bewertung:
Die
Politiker haben also die wichtigsten und umstrittenen Entscheidungen in einen
nicht öffentlich tagenden Vermittlungsausschuss verlagert.
Damit
entzieht sich Kompetenz und Verantwortung jeglicher öffentlicher Kontrolle.
Demokratie
lebt aber von der Wahrnehmung der legalisierten Kompetenzen und von der
Verantwortung von sachgerechten und
situationsgerechten
Entscheidungen und Maßnahmen innerhalb der Kompetenzen.
Deshalb sind viele Gesetze (weit mehr als die Hälfte aller Gesetze
durch die Bundesrat zustimmungspflichtig.
Klare Abgrenzungen von
Kompetenzen und Entscheidungen so wie von Verantwortung sind so nicht mehr
möglich.
In
dem deshalb erforderliche so genannten „Vermittlungsausschuss“ werden (faule) Kompromisse getroffen.
Es werden immer mehr
Entscheidungen in den so genannten Vermittlungsausschuss überwiesen.
Auch
über die Zusammensetzung und die dort gelten den Verfahrensregelungen erfährt
der Bürger nichts!
Es
heißt an entsprechender Stelle nur:
„Über dessen
Zusammensetzung und das Verfahren dieses Ausschusses regelt eine
Geschäftsordnung, die vom Bundestag beschlossen
wird
und der Zustimmung des Bundesrates bedarf.“
(Quelle:
Artikel 77, Abs. 2 Satz 2)
Der
Vermittlungsausschuss tagt nicht öffentlich und entzieht sich deshalb der in
einer Demokratie erforderlichen Transparenz.
Wollte man in dieser
Tendenz eine Absicht unterstellen, würde man wohl zu dem Schluss kommen, dass
die Verlagerung von Entscheidungen
in
den Vermittlungsausschuss eine demokratiefeindliche Maßnahme ist, weil
persönliche Verantwortung für die Entscheidungen und
Transparenz
für den Bürger verloren gehen.
Damit wird ein
Ärgernis der Politiker beseitigt!
Heute
kommen etwa zwei Drittel der Gesetze nur noch durch die Zustimmung des
Bundesrates zustande.
Trotz
aller verfassungsrechtlichen Vorgaben und Begrenzungen regelt der Bund immer
mehr Details.
Vorteil:
Der Bund kann nicht mehr
allein entscheiden und ist auf den Kompromiss
mit
den Ländern angewiesen.
Nachteile:
o Der
„Vermittlungsausschuss“ bekommt eine zunehmende Bedeutung.
o
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und die Regierungsvertreter der
Länderkammer
(Bundsrat) werden im selben Maße entmachtet.
o
Es gibt immer weniger klare Kompetenzabgrenzungen.
o
Der Bürger kann kaum mehr erkennen, wer zuständig und verantwortlich ist.
(Quellen:
„Kein
Mensch schaut da mehr durch“ [Nachgefragt: Erwin Teufel], Handelsblatt vom
28.07.2003)
„Große
Koalition packt Föderalismus-Reform an“,
Handelsblatt
vom 28.07.2003)
4.
Ziele und Maßnahmen für eine bessere Lösung
4.1
Anforderungen an eine Verfassung
Eine Verfassung muss den verschiedensten
Anforderungen genügen:
1. Sprache und
Verständlichkeit
(1)
Eine Verfassung muss in einer Sprache formuliert sein, die jeder verstehen
kann.
(2)
Sie muss möglichst übersichtlich gegliedert und strukturiert sein.
(3)
Es muss eine Rangigkeit der Aussagen (Artikel) erkennbar sein.
2. Rechtlicher Rahmen für alle wichtigen Funktionen im Staate
(1)
Einen Verfassung muss einen rechtlichen Rahmen für alle wichtigen Funktionen im
Staate aufzeigen und vorgeben.
(2)
Dieser Rahmen muss die Grundsätze und Prinzipien nennen und ihre jeweiligen
Anwendungsbereiche nennen.
(3)
Der Rahmen darf keine Einzelaussagen treffen oder Einzelfälle regeln.
3. Struktur und Aufbau des Staates
(1)
Die Verfassung muss klare Aussagen über den Aufbau des Staates und seine
Verfassungsorgane treffen.
(2)
Es müssen sowohl die Anzahl der Verfassungsorgane genannt werden als auch ihre
Hierarchie aufgezeigt werden.
(3)
Den einzelnen Verfassungsorganen sind klar formulierte Aufgaben und Funktionen
zuzuordnen.
4. Aufgaben und Funktionen der Verfassungsorgane
(1)
Die Funktionen, Aufgaben und Kompetenzen der einzelnen Verfassungsorgane müssen
jeweils genannt werden und eindeutig
von
einander abgegrenzt sein.
(2) Neben der Auflistung der Aufgaben,
Funktionen und der Kompetenzen der Verfassungsorgane müssen auch die Grenzen
ihrer
Macht
genannt sein.
5. Die Zusammensetzung der Verfassungsorgane
(und
die Voraussetzungen für die Berufung in diese Verfassungsorgane)
(1) In der Verfassung muss festlegt
sein, wie viele Personen in die einzelnen Verfassungsorgane entsandt werden.
(2)
Es muss festgelegen, wer diese Personen in die einzelnen Verfassungsorgane
entsenden kann.
(3)
Es müssen die Voraussetzungen genannt werden, die zu erfüllen sich, um in ein
Verfassungsorgan berufen oder gewählt zu
werden.
(4) Die Rechte und Pflichten der
Mitglieder dieser Verfassungsorgane müssen genannt werden.
6. Die Verfassung und die repräsentative Demokratie: Das Wahlrecht
(1)
Die Verfassung muss die Grundzüge festlegen, wie die Macht des höchsten
Souveräns im Staate – die Macht des Volkes – auf
gewählte
Volksvertreter übertragen werden soll.
(2)
Es muss alle Grundsätze des Wahlrechtes nennen; die ausnahmslos einzuhalten
sind.
(3)
Das Wahlrecht muss so beschaffen sein, dass alle politischen Strömungen im
Parlament vertreten sind, bis auf die, die auch
nur
eine der nachfolgend genannten vier
Funktionen der Demokratie abschaffen oder beseitigen will:
1.
Die Demokratie soll dem Volke eine Stimme geben.
2.
Das Parlament muss die Regeln für Staat und Gesellschaft bestimmen.
3.
Die Demokratie soll die Regierenden effektiv kontrollieren.
4. Die Demokratie soll einen
gewaltfreien und unblutigen Machtwechsel ermöglichen.
7. Die Verfassung und die repräsentative Demokratie: Das Parlament
(1)
In der Verfassung muss festlegt sein, wie das Parlament seine beiden
wichtigsten Pflichten erfüllen kann und soll:
o
Das Parlament muss die Regeln für Staat und Gesellschaft bestimmen.
o
Das Parlament muss die Regierung kontrollieren.
(2)
Sie muss festlegen, dass zur Erfüllung dieser beiden Pflichten alle
erforderlichen Voraussetzungen zu erfüllen sind.
(3) Sie muss festlegen, welche Rechte
und Pflichten die gewählten Volksvertreter haben.
8. Sanktionen
(1)
In der Verfassung muss festlegt sein, welche Sanktionen bei klaren Verstößen
gegen die Verfassung gegen einzelnen Artikel
der
Verfassung zu verhängen sind und wie dabei eventuell zu verfahren ist.
(2)
Es muss festlegt sein, welche Verletzungen von Rechten und Pflichten zu
Sanktionen führen.
(3)
Die Verfassung muss erkennen lassen, welche Regeln gelten sollen, wenn
Staatsdiener (z.B. Beamte, Abgeordnete oder
Politiker)
gegen einzelne Vorgaben in Gesetzen, die auf grund dieser Verfassung
beschlossen worden sind, verstoßen haben.
9. Machtwechsel
(1)
Die Verfassung muss Regelungen nennen, wie eine Machtausübung der
Verfassungsorgane zeitlich zu begrenzen ist.
(2)
Sie muss Regelungen beschreiben, wie die Machtausübung durch einen friedlichen
Wechsel auf andere Personen übertragen
werden
kann.
(3)
Es müssen in der Verfassung substanziell und formal die Modalitäten festlegt
sein, die zu einem Machtwechsel führen.
(4)
In der Verfassung muss unveränderbar festlegt sein, dass alle Beteiligten diese
Modalitäten als dauerhaft gültig und unkündbar
ansehen.
10. Gültigkeit und Änderung
der Verfassung selbst
(1) Die Verfassung muss Aussagen über ihre
Gültigkeit enthalten, die sowohl zeitlich als auch örtlich präzisiert sind.
(2)
Die Verfassung muss festlegen, unter welchen Bedingungen die Verfassung selbst
geändert werden darf.
(3)
Es muss festlegt sein, ob einige Artikel überhaupt nicht geändert werden dürfen
und gegebenenfalls dann kenntlich machen,
um
welche Artikel es sich dabei handelt.
4.2 Funktionen einer
Verfassung
1. Sinn
der Verfassung
Eine Verfassung soll einen
rechtlichen Rahmen - einen juristischen Überbau - für alle Regelungen in Staat
und Gesellschaft
vorgeben
und auch beschreiben. Dazu gehören meines Erachtens
o
inhaltliche Festlegungen,
o
inhaltlich abgrenzende Aussagen,
o
verfahrensmäßige Regelungen und
o
Fragen der zeitlichen Begrenzung von Regelungen.
2.
Legitimation der Verfassung
Die Verfassung selbst muss
legitimiert werden.
Das
kann auch in einer repräsentativen Demokratie nur durch das Volk selbst
geschehen.
3. Regelungen
in der Verfassung
Es geht bei der Verfassung
im Einzelnen um folgende Themen:
(1) der Schutz der Grundrechte (Menschenrechte)
(2) die Legitimierung der Macht, (Wahlrecht)
(3) die Trennung der drei staatlichen
Gewalten, (Legislative, Judikative und Exekutive) in organisatorischer,
personeller und in
finanzieller
Hinsicht)
(4) das Nennen der erforderlichen
Verfassungsorgane,
(5) das Beschreiben der Aufgaben und
Funktionen der Verfassungsorgane,
(6) die Zusammensetzung der
Verfassungsorgane,
(7) die Amtsdauer der Verfassungsorgane,
(8) das Zusammenwirken der Verfassungsorgane unter Festlegung der
jeweiligen Kompetenzen,
(9) die Regelungen der Kompetenzen der
Verfassungsorgane bei Krisen und im Kriegsfall,
(10)
die Grundsätze für die Währung und alle staatlichen Einnahmen und Ausgaben,
(11)
die Rolle der Parteien in einer repräsentativen Demokratie
(12)
die Kompetenzen in überstaatlichen Einrichtungen (EU, WTO, UNO, Nato usw.)
(13)
die internationalen Beziehungen,
(14)
den zeitlichen und räumlichen Geltungsbereich der Verfassung und schließlich um
(15)
die Änderung der Verfassung selbst und ihre Gültigkeitsdauer.
4. Die Grenzen der Regelungen in einer Verfassung
Eine Verfassung darf immer
nur ein Rahmen vorgegeben werden.
Die
Ausgestaltung ist Sache der gesetzgebenden Verfassungsorgane.
Der
Grad der filigranen Ausgestaltung des Rechts ist fast ausschließlich Sache des
Gesetzgebers. Sie findet ihre Grenze nur in der
Verständlichkeit
der Regelungen durch den Bürger.
Über
die Einhaltung der Verfassung wacht das unabhängige höchste deutsche Gericht –
das Bundesverfassungsgericht.
5. Verfassung in einem föderalen Bundesstaat
In einem föderalen Staat
darf sich jedes Bundesland eine eigene Verfassung geben.
Es
dürfen lokale Eigenheiten, gewachsene Gewohnheiten und Traditionen festgelegt
werden.
Eine
Landesverfassung darf der Bundsverfassung in keinem einzigen Punkte
widersprechen.
6.
Regelungsverbote in einer Verfassung
Die Verfassung soll sich
nicht äußern zu:
o
ethischen Fragen,
o
religiösen Fragen,
o
wissenschaftlichen Erkenntnissen,
o
geschichtlichen Begebenheiten,
o
Meinungen jedweder Art und zu den
o
Zielen der Gesellschaft und den Zielen des Einzelnen.
4. Ziele und
Maßnahmen für eine bessere Lösung:
4.3 Das neue
Grundgesetz als Verfassung
Hinweise:
1.
Eine neue Verfassung liegt als Entwurf vor.
Sie können diese - wenn sie
ein berechtigtes Interesse haben – anfordern!
Sie
umfasst etwa 269 KB und hat etwa 84 Seiten.
Das
ist weniger als das „alte“ Grundgesetz.
Trotzdem
kann man jede Änderungen zur bestehenden Grundgesetz zweifelsfrei nachvollziehen
und in jedem Falle durch farbliche
Kennzeichnungen
erkennen.
2. Eine kürzere Fassung, die nur den
neuen Entwurf wiederspiegelt und die alle neuen Formulierungen enthält aber
nicht mehr
die
weggefallenen Formulierungen ist kürzer und hat nur 66 Seiten DIN A4.
3.
Sie können sich auch erst einmal mit der Gliederung der neuen Verfassung
begnügen.
Sie hat nur 8 Seiten DIN A4.
4. Sie können sich auch zuerst mit
den wichtigsten Knackpunkten unseres Grundgesetzes befassen.
Diese
Darstellung ist etwa 30 Seiten lang.
5. Ich bin immer noch auf der Suche
nach einer alten Fassung des Grundgesetzes vom Mai 1949.
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aktuelle Themen sind
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interessante Themen finden Sie auf meiner Homepage www.jochenolbrich.homepage.t-online.de