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2.4 Das
Arsenal von Zuckerbrot und Peitsche
o Man
will Einfluss gewinnen –Einfluss auf das Abstimmungsverhalten
o
Man schuf ein Arsenal von Zuckerbrot und Peitsche
o
Die Loyalitätsprüfung über die Spendenbereitschaft
Gliederung
1. Allgemeines
und die Voraussetzungen
2. Sinn und die Effizienz dieses Verfahrens
3. Die Zuckerbrote
4. Die Peitsche
5. Zum Arsenal im Sinne von Peitsche gehören weiter
6. Die maßgeblichen Personen
7. Die Spendenpraxis der Abgeordneten an ihre Parteien
(Die
Loyalitätsüberprüfung der Abgeordneten durch ihre Spendenbereitschaft)
8. Die eigene Bewertung als Zusammenfassung und als freie Meinungsäußerung
Ausführungen
Die nach dem
Grundgesetz freien und unabhängigen Abgeordneten, die an keinerlei Weisungen
und Aufträge gebunden sind, sondern nur ihrem Gewissen unterworfen sind, werden
durch Parteifunktionäre mit einem Arsenal des dem Repertoire von Zucker und
Peitsche entspricht zu „modern Sklaven“ ihrer Parteien umfunktioniert.
1. Allgemeines und die Voraussetzungen
1. Man hat im Laufe von Jahrzehnten
ein ganzes Arsenal im Sinne von Zuckerbrot und Peitsche entwickelt, um sich
die
Abgeordneten gefügig zu machen.
Das dient
eigentlich nur dazu, die Abgeordneten dazu zu bewegen, die Koalitionslinie
einzuhalten.
Dazu müssen die Parteien zu Tricks greifen, die zwar weder
legal noch „verfassungsgemäß“ sind, die aber
gleichzeitig
hoch wirksame Instrumente der Beeinflussung der Abgeordneten sind.
Um
ja nichts dem Zufall zu überlassen, „überprüft“ die Fraktionsführung die Loyalität
der Abgeordneten.
Dazu
dienen zuerst einmal so genannte Probeabstimmungen oder Zählappelle in den
Fraktionen.
(Erst
muss man ja die Abweichler ausmachen, ehe man sie „bearbeiten“ kann!)
Dann
können erst die eigentlichen Maßnahmen ergriffen werden:
o Einzelgespräche des Fraktionsvorsitzenden
oder eines seiner Stellvertreter oderdes
Parlamentarischen
Geschäftsführers
mit den „Abweichlern“!
o
Hinweis auf die gemeinsamen Grundwerte der Partei.
o
Hinweis auf die Regierungsfähigkeit der Partei.
o
Das Schreckgespenst der Neuwahlen, das den andere Parteien Vorteile bietet,
weil sie nicht so zerstritten sind.
2.
Sinn und die Effizienz dieses Verfahrens
1. Den Sinn und die Effizienz dieses
Verfahrens merkt man wohl am besten, wenn es mal nicht klappt.
Dazu ein Beispiel:
In
Berlin haben sich die Vorsitzender der Fraktionen auf bestimmte Kandidaten für
das Landesverfassungs-
gericht geeinigt.
Für
die Wahl von Richtern beim Landesverfassungsgericht ist eine
Zweidrittel-Mehrheit der Abgeordneten
erforderlich.
Die
freien und nur ihrem Gewissen verantwortlichen Abgeordneten haben sich nicht
alle an diese Absprache
gehalten.
Der
Eklat war groß als ein Kandidat (Evelyn Kenzler)
durchgefallen ist. Sie erhielt nur 86 statt der
erforderlichen
91 Stimmen.
Der
Parlamentspräsident Walter Momper sah daraufhin das Ansehen des Parlaments und
des Verfassungsgericht
„ziemlich
beschädigt“.
(Quelle: „Einsatz für DDR-Funktionäre
löst Eklat bei Richterwahl aus“, Berliner Morgenpost vom 28. April 2007)
3.
Die Zuckerbrote
1.
Die
Unterstützung der Nominierung in einem sicheren Wahlkreis bei der nächsten
Wahl.
2. Das Versprechen, bei der nächsten Wahl in
einem gerade verwaisten aber dafür sicheren Wahlkreis kandidieren
zu
dürfen.
3. Zugkräftige
Versprechungen für die Unterstützung bei der nächsten Bundestagswahl in seinem
Wahlkreis durch
hochrangige
Parteifunktionäre.
4.
Das Versprechen auf einen sicheren Listenplatz bei der nächsten Wahl.
5.
Versprechen der „Absicherung“ der Kandidatur im Wahlkreis durch einen sicheren
Platz auf der Landesliste.
6.
Das Versprechen auf einem guten Platz auf einer Landesliste bei der nächsten
Wahl.
7. Das Versprechen, dass sie gleichzeitig
zum Bundestagsmandat (zusätzlich) in einem Bundesland Landtags-
abgeordneter
werden können (oder weiterhin bleiben können) und dafür die Unterstützung der
Partei haben.
Das
bringt mehr Arbeit und Fahrten mit sich, aber auch zwei Vergütungen also Geld.
8. Das
Versprechen auf eine gut bezahlte Funktion im Parlament
o Ein herausgehobener
Posten im Parlament als Sprecher oder Vorsitzender eines Ausschusses.
o
Der Vorschlag, zum
Parlamentarischen Staatssekretär oder zum Staatsminister ernannt zu werden.
9. Das Versprechen auf einen lukrativen
Neben-Job während der politischen Tätigkeit als Abgeordneter.
o Ein Posten als Aufsichtsrat in
stattlichen oder kommunalen Unternehmen.
(Dafür gibt es z.B. landeseigene oder kommunale Unternehmen.)
o
Ein Auftrag für ein Unternehmen, das dem Abgeordneten oder seiner Familie
gehört oder an dem er beteiligt ist.
10. Das Versprechen, die Ehefrau oder nahe
Verwandte als wissenschaftliche Mitarbeiter des Abgeordneten oder
bei
einem befreundeten Abgeordneten oder in der Fraktion anzustellen.
11.
Das Versprechen, nach dem Ausscheiden aus dem Parlament die Unterstützung der
Partei bei der Bewerbung für
einen
lukrativen Posten in einem bundes- oder landeseigenen
Unternehmen.
12. Das Versprechen, dass sie nach
dem Ausscheiden aus dem Parlament einen gut bezahlten Posten in der Partei
oder
in einem bundeseignen, landeseigenen oder kommunalen Unternehmen erhalten
sollen.
Anmerkung:
Nun muss man ja nicht gleich mehrere Dinge versprechen – ein Versprechen genügt
vielleicht schon!
4.
Die Peitsche
Die Möglichkeiten des „Liebesentzugs“ der
Partei sind ebenfalls vielfältig, weil man ja alle eben aufgezählten
Liebesbeweise
auch versagen kann oder mit dem Entzug drohen kann.
Es
geht z.B.
o
um das Versagen der Unterstützung bei der Aufstellung bei der nächsten Bundestagswahl.
o
um das Versagen der Absicherung eines Direktkandidaten auf einem guten
Listenplatz bei der nächsten
Bundestagswahl.
Dafür
wird notfalls Druck auf ihr Abstimmungsverhalten ausgeübt.
Zunächst
muss man herausfinden, wer die „Abweichler“ sind.
Dafür
gibt es fraktionsinterne Probeabstimmungen.
Dann
gibt es Einzelgespräche mit den Wackelkandidaten oder den möglichen
„Abweichlern“ mit den
Fraktionsführern
oder einem seiner Stellvertreter, mit dem Parlamentarischen Geschäftsführern
oder gar dem
Parteivorsitzenden.
5.
Zum Arsenal im Sinne von Peitsche gehören weiter:
1. Die Androhung der namentlichen Abstimmung, damit jeder die
Abweichler eindeutig ausmachen kann.
2. Es ist auch von Vorteil für die
hochrangigen Parteifunktionäre, wenn ein Abgeordneter „eine Leiche im Keller“
hat,
von der man andeutungsweise Gebrauch machen kann um
ein gewünschtes Verhalten zu erreichen.
Anmerkung:
Diese
Beeinflussung der Abgeordneten ist auch deshalb besonders wirksam, weil viele Abgeordnete
sich als
Abgeordnete
finanziell viel besser stehen, als wenn sie sich in der – oft gescholtenen
„freien Wirtschaft“
behaupten
müssten und sich dort ihr Brot und ihre Pensionsansprüche verdienen müssten.
3. Wenn alles nichts hilft, beschließen sie
eben einen Fraktionszwang.
Es
gibt in der Realität z.B. einen verfassungswidrigen Fraktionszwang.
[Anmerkung: Siehe: „Das Gefügigmachen der Abgeordneten“ unter Punkt 7. Der
Koalitionsausschuss]
Der notfalls erforderliche
Fraktionszwang, ist zwar klar grundgesetzwidrig, aber da er ein keinem Gesetz
steht,
kann
das Bundesverfassungsgericht nicht einschreiten. Er erfüllt aber seinen Zweck
sehr gut.
Schließlich
steht die Regierungsfähigkeit auf dem Spiel.
Man kann ja nicht immer die
Freigabe der Abstimmung der Abgeordneten wie beim Gesetz über das Klonen
propagieren.
Im
offiziellen Propagandablättchen des Deutschen Bundestages hört sich das dann so
an:
„Fraktionen sind Gruppierungen, von den
die parlamentarische Arbeit entscheidend bestimmt wird.
In
ihnen bildet sich der – in der Regel letztlich einheitliche – politische Wille,
der sich dann im Bundestag und in
der
sonstigen Öffentlichkeit artikuliert. Diese Öffentlichkeit erwartet, dass die
Fraktionen in den wesentlichen
Fragen
jeweils einheitliche Auffassungen vertreten. Diese Geschlossenheit in den
wichtigen politischen Positionen
ist
auch Voraussetzung für das politische Profil und die parlamentarische
Wirksamkeit der Fraktionen. Eines
Fraktionszwanges
bedarf es dazu nicht.“
(Quelle: Herrmann J.
Schreiner und Susanne Linn: „So arbeitet
der Deutsche Bundestag“,
16.
Wahlperiode, 21. Auflage 2008, Seite 11)
6. Die maßgeblichen
Personen:
1. Die
maßgeblichen Personen sind besonders die folgenden Funktionsträger:
o
die Vorsitzenden der betreffenden Parteien,
o
die Fraktionsführer im Parlament und deren Stellvertreter,
o
die Parlamentarischen Geschäftsführer und
o
die Parlamentarischen Staatsekretäre und die Staatsminister.
2.
Diese Personen üben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die
Abgeordneten aus.
„Die Abgeordneten müssen wissen, wem sie
ihr Mandat zu verdanken haben.“
So
erinnerte der Fraktionsführer und neuer Parteivorsitzende der SPD (Franz
Müntefering) die Abweichler und
Abtrünnigen
in den eigenen Reihen öffentlich!
7.
Die Spendenpraxis der Abgeordneten an ihre Parteien
Die
Loyalitätsüberprüfung der Abgeordneten durch ihre Spendenbereitschaft
Alle Abgeordneten werden zu Spenden an ihre Parteien aufgerufen.
Besonders
interessant ist die Finanzierung der Parteien über „ihre eigenen“ Abgeordneten:
1. Fast alle Abgeordneten spenden ein
Teil ihrer Vergütungen (oder Bezüge) an ihre Partei!
2.
Die Bundestagsabgeordneten der Grünen müssen nach einem Parteitagsbeschluss von
1993 zusätzlich zu ihrer
monatlichen
Pflichtspende von 1 900 DM aus den versteuerten Diäten weitere 1 000 DM aus der
steuerfreien
Kostenpauschale
an die Partei abführen.
3.
Diese Parteienfinanzierung machte bei den damals 47 Abgeordneten und über die
Jahre hinweg einen Betrag von
immerhin
bisher 3,5 Mio. DM aus!
4. Nach Ansicht der CDU (Andreas
Schmidt; Justiziar der Unionsfraktion) verstoße diese Praxis eindeutig gegen
das
Abgeordnetengesetz.
5.
Nach Ansicht der FDP (Jörg van Essen; Geschäftsführer der FDP-Fraktion) sei
dies ein Skandal, es sei rechts-
widrig
und ein Betrug am Steuerzahler.
(Quelle: „Auch Spendenpraxis der Grünen
im Zwielicht“, Handelsblatt vom 11.01.2000)
6.
Inzwischen hat diese Parteienfinanzierung zu Lasten des Steuerzahlers in allen
Parteien Fuß gefasst.
7.
Da die Abgeordneten über die Höhe ihrer Vergütung selbst beschließen dürfen,
können sie sich über eine
entsprechende
Erhöhung eine so hohe Vergütung beschließen, dass immer genug zum Spenden an
ihre Partei übrig
bleibt.
Sie
können sich also auf Kosten des Steuerzahlers schadlos zu halten.
Das
ist dann eine Finanzierung der Parteien zu Lasten des Steuerzahlers!
Zumindest
haben sie den berühmten Schwarzen Peter in der Hand und die Parteien bleiben im
Hintergrund.
8. Die Abgeordneten können sogar
beschließen, wie hoch der Anteil ihrer Vergütung sein soll, für den sie keine
Steuern
bezahlen müssen. (steuerfreie Diäten)
9. Inzwischen wurden die Abgeordneten aller Parteien verpflichtet,
einen erheblichen Teil ihres Einkommens als
Abgeordneter
an die Parteikasse zu spenden. (Es sind im Durchschnitt insgesamt mehr als 1000
€ monatlich.)
10.
Im Parteienfinanzierungsgesetz (das natürlich die Abgeordneten selbst
beschlossen haben) wurde festlegt, dass
für
jede Spende noch einmal 30 % (bis 40 % ?) aus dem
Staatshaushalt zugelegt wird.
So
erhalten die Parteien noch einmal einen Teil der Spende oben drauf.
Beide
Anteile sind natürlich Steuergelder.
Das
ist dann die fast doppelte Abzocke des Steuerzahlers
11. Die beinahe Realität des
Fraktionszwanges und das Gefügigmachen der
Abgeordneten sind Mittel, die denen
von
Zuckerbrot und Peitsche vergleichbar sind.
8. Die eigene
Bewertung als Zusammenfassung und als freie Meinungsäußerung
1. Es geht nie darum, wie können die hochrangigen Politiker die
Abgeordneten in die Lage versetzen, den Anforde-
rungen des Grundgesetzes nach Artikel 38 [Rechtsgrundsätze,
Rechtsstellung der Abgeordneten] besser
nachzukommen!
2.
Es geht nur darum, wie man die Abgeordneten dazu bewegen kann, das zu tun, was
die hochrangigen Politiker
wollen
– also um das Gefügigmachen der Abgeordneten.
3.
Die vielen Möglichkeiten des Versprechens von Vorteilen oder des Versagens von
bereits zugebilligten Vorteilen,
sind
geeignete Mittel, die Abgeordneten gefügig zu machen.
4.
Die vielen Möglichkeiten gleichem einem Arsenal von Zuckerbrot und Peitsche.
5.
Die Realität des Fraktionszwanges ist das offensichtlich schärfste Mittel; es
ist noch dazu grundgesetzwidrig.