Jochen Olbrich
21.11.2004
Erziehung und Bildung
Gedächtnis
3. Schüler mit schlechtem
Langzeitgedächtnis
1. Fassung
Gedächtnis
(3)
3. Schüler mit schlechtem
Langzeitgedächtnis
Warum haben unsere Schüler
so ein schlechtes Gedächtnis?
Wer ist schuld an dem schlechten Langzeitgedächtnis unserer Schüler?
Wie erreicht es z.B. die Schulverwaltung in Berlin, dass alle Schüler kein
gutes Langzeitgedächtnis entwickeln (können)?
Alle nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf
o
alle Schularten: Grundschule, Hauptschule, Realschule und Gymnasium,
o
die Klassenstufen 1 bis 10 also auf 10 Jahre Schulbesuch und auf
o
alle Unterrichtdächer.
Gliederung
1. Gedichte
Es
werden kaum noch Gedichte gelernt.
2. Diktate
Es
werden kaum noch Diktate geschrieben.
3.
Klassen arbeiten
Es werden immer weniger Klassenarbeiten
geschrieben
4. Kurze schriftliche
Lernzielkontrollen
Auch
in diesem Segment der schriftlichen Leistungskontrollen werden in
einigen
Fächern keine Leistungskontrollen (Tests) mehr geschrieben.
4.1 Die alten Vorgaben
4.2 Die neuen Vorgaben
4.2.1 Einzelne einschränkende Vorgaben
5. Eigene Gesamtbewertung
5.1 Die Gedächtnisschulung der Schüler
5.2 Ein Beitrag zur Verwahrlosung
5.3 Darstellung von Sachverhalten
5.4 Basiswissen, funktionales Wissen, Grundwissen
5.5 Nebenwirkungen (nicht nur auf den Lehrer bezogen)
5.6 Nebenwirkungen (nicht nur auf den Schüler bezogen)
5.7 Kritik an der Senatsverwaltung für Schule Jugend und Sport
5.8 Fazit der Gesamtbewertung (in einzelne Fehler zerlegt)
6.
Zusammenfassende Bewertung (in allgemeiner Sichtweise
7. Quellenangaben:
1. Gedichte
Es
werden kaum noch Gedichte gelernt.
2. Diktate
Es
werden kaum noch Diktate geschrieben.
In Berlin sollen nach einer neuen
Verordnung in den Klassenstufen 7 bis 10 keine
Diktate
mehr geschrieben werden. In nur noch 5 der 16 Bundesländern ist des
Pflicht
Diktate schreiben zu lassen.
(Quelle: „Freiwilliges Diktat“, Der
Tagesspiegel vom 3. Oktober 2004)
3.
Klassen arbeiten
Es
werden immer weniger Klassenarbeiten geschrieben
1.
In der Grundschule, in allen Zweige des dreigliederigen Schulsystems und
in
der Gesamtschule wurden die Mindestzahl der zu schreibenden Klassen-
arbeiten
innerhalb eines Zeitraumes von 18 (bzw. 11) Jahren gesenkt.
2.
Die Rangfolge sieht so aus:
Grundschule: 23 Klassenarbeiten weniger in 6
Schulbesuchsjahren
Hauptschule: 6
Klassenarbeiten weniger in 4 Schulbesuchsjahren
Realschule
12 Klassenarbeiten weniger in 4
Schulbesuchsjahren
Gymnasium
16 Klassenarbeiten weniger in 4
Schulbesuchsjahren
Gesamtschule 1
Klassenarbeit sogar mehr in 4 Schulbesuchsjahren.
(Eine genaue Untersuchung darüber
liegt vor.)
3.
Damit wurde die größte Reduzierung der Mindestzahl der zu schreibenden
Klassenarbeiten pro Schuljahr im Gymnasium
mit
4 erreicht; dicht gefolgt von der Grundschule mit 3,8.
4.
In der Hauptschule und in den leistungsschwachen Kursen der Gesamtschule wurden
die geringsten Reduzierungen
angeordnet.
5.
Einschüler der bei einem glatten Durchlauf von der 1. Klasse bis zur 10. Klasse
des Gymnasium durchlaufen hatte, musste in
diesen
zehn Jahren
1966
mindestens 254 (126 in der Grundschule +128 im
Gymnasium)
1984 mindestens 215 (103 in der Grundschule +112 im Gymnasium )
über
sich ergehen lassen.
Das
ist eine Verringerung von insgesamt 39 Klassenarbeiten oder gut 15 %.
4. Kurze schriftliche
Lernzielkontrollen
Außer
den Klanarbeiten gibt es noch die „kurzen schriftlichen Lernerfolgskontrollen.
Auch
in diesem Segment der schriftlichen Leistungskontrollen werden in einigen
Fächern keine Leistungskontrollen
(Tests)
mehr geschrieben.
Auch für diese kurzen schriftliche Lernerfolgskontrollen (KSL) gibt
es eine Reihe von Bestimmungen, die dafür sorgen, dass die Schüler nicht
überfordert
werden.
Hier
sind sie:
4.1
Die alten Vorgaben
In
der alten Ausführungsvorschriften von 1966 findet man sehr wenig zu diesem
Thema:
„In
allen dafür geeigneten Fächern können im übrigen „kurze schriftliche Übungsarbeiten“ im unmittelbaren
Zusammenhang mit dem
gerade
behandelten Stoff geschrieben werden.“
(Q. 1; Tz. 9 aus 1966)
„Zettelarbeiten.,
die nicht im Zusammenhang mit dem gerade behandelten Stoff stehen, einen allgemeinen Wiederholung voraussetzen
und
der Zensurenfeststellung dienen, sind
unzulässig.“
(Q. 1; Tz. 10 aus 1966)
Die Folgen:
Das spricht sich schnell herum
und wird deshalb von allen Lehrern beachtet!
Ein
(Langzeit-) Gedächtnis kann sich kaum bilden; es reicht nur von einer
Leistungskontrolle bis zur nächsten Leistungskontrolle.
Ein (Langzeit-)
Gedächtnis kann sich kaum bilden; es reicht nur von einer Leistungskontrolle
bis zur nächsten Leistungskontrolle.
4.2 Die neuen Vorgaben
4.2.1
Einzelne einschränkende Vorgaben
1.
Erst ab der 5. Klasse zu lässig
„Schriftliche
Lernerfolgskontrollen sind ab Klassenstufe 5 zulässig.“
(Q. 9: Nummer 1 Geltungsbereich.
Absatz [2], Satz 1 der AV – Klassenarbeiten)
Das bedeutet
nach meiner Auffassung:
Es ist rechtswidrig, wenn ein
Lehrer eine schriftliche Lernerfolgskontrolle z. B. in einer vierten Klasse in
irgend einem Fach schreiben
lässt.
2.
Unzulässige schriftliche Lernerfolgskontrollen
„Schriftliche
Lernerfolgskontrollen sind nicht zulässig im Fach Sport und in den Klassen 5
und 6 in den Fächern, in denen Klassenarbeiten
zu
schreiben sind. „
(Q 9: Nummer 1 Geltungsbereich, Absatz [2] unter a) der AV –
Klassenarbeiten)
Das bedeutet nach meiner Auffassung:
1. Es ist rechtswidrig, wenn ein
Lehrer eine schriftliche Lernerfolgskontrolle z. B. in einer fünften oder
sechsten Klasse in Deutsch,
Mathematik
oder in Englisch (Vokabeltest) schreiben lässt.
2.
Er darf eine schriftliche Lernerfolgskontrolle in einer fünften oder sechsten
Klasse z. B. in den Fächern Heimatkunde, Naturkunde oder
Sachkunde
schreiben lassen.
3.
Der Lehrer darf schriftliche Lernerfolgskontrollen auch in den Fächern, in
denen Klassenarbeiten zu schreiben sind, schreiben lassen.
Es
sind die folgenden Fächer:
Deutsch,
Mathematik, erste Fremdsprache, zweite Fremdsprache, dritte Fremdsprache und im
Wahlpflichtbereich
(soweit
es sich nicht um die dritte und in der Realschule um die zweite Fremdsprache handelt).
Hier
hat der Lehrer aber sowie schon so viel zu tun, dass er kaum dazu kommt
zusätzlich zu den Klassenarbeiten noch kurze
schriftliche
Lernerfolgskontrollen schreiben zu lassen.
Die
einzige rühmliche Ausnahme sind wohl die Vokabeltests in den Fremdsprachen.
4.
So bleiben vorwiegend die folgenden Fächer für die kurzen schriftlichen
Lernerfolgskontrollen übrig.
Es
sind die Fächer in denen keine Klassenarbeiten geschrieben werden dürfen.
Sport,
Musik und Kunst,
Erdkunde
und Geschichte,
Physik,
Chemie und Biologie.
Allerdings wird Sport ausdrücklich
ausgenommen.
5.
Das kann in der Praxis bedeuten, dass in der Mehrzahl der Unterrichtsfächer -
auch auf den Gymnasien - keine kurzen schriftlichen
Lernerfolgskontrollen
(KSL) geschrieben werden.
6. Die Gründe liegen in den Antworten auf die Fragen:
o Warum soll sich ein Lehrer
zusätzliche Arbeit machen?
o
Warum soll er sich bei den Schülern unbeliebt machen?
o
Warum soll er wertvolle Unterrichtszeit für Leistungskontrollen „opfern“?
(Schließlich
kennt er seine Schüler genau und zweitens ist er ein guter Lehrer bei dem die
Schüler was lernen. Das sieht man doch an den guten
Zensuren!
Außerdem
hat er noch so viele interessante Dinge im Unterricht vor, sodass ihm dann
dafür die notwendige Zeit fehlen würde.)
3.
Die inhaltlichen Anforderungen
„Die inhaltlichen Anforderungen
dürfen nicht dem Umfang von Klassenarbeiten entsprechen.
Der zeitliche Umfang soll in der Regel eine
halbe Stunde nicht überschreiten.“
(Q. 9: Nummer 1 Geltungsbereich, Absatz [2]
unter b) der AV – Klassenarbeiten)
Das
bedeutet nach meiner Auffassung:
1. Diese Leistungskontrollen sind
kurz und sollen kurz sein!
Anmerkung:
Das
ist auch der Grund, weshalb ich sie „kurze schriftliche Lernerfolgskontrollen
(KSL) nenne und genannt habe.
4.
Inhaltlicher Bezug
„Die kurzen schriftlichen
Lernerfolgskontrollen dürfen sich nur auf den Unterricht eines kurzen
Zeitraumes (bis zu sechs
Unterrichtsstunden)
beziehen.“
(Q.
9: Nummer 1 Geltungsbereich, Absatz [2] unter b)im ersten Satz der AV -
Klassenarbeiten)
Das
bedeutet nach meiner Auffassung:
1. Es ist rechtswidrig, wenn ein
Lehrer in einer schriftliche Lernerfolgskontrolle etwas verlangt, was vor sechs
Wochen im Unterricht
behandelt
worden ist.
(Viele
Unterrichtsfächer sind in der Regel zweistündig, d. h. das es an zwei Tagen in
der Woche jeweils mit einer Unterrichtstunde
unterrichtet
wird.)
2.
In den Fächern Musik und Kunst, Erdkunde und Geschichte, Physik, Chemie und
Biologie dürfen - solange das Fach in der Mittelstufe
unterrichtet
wird – unabhängig davon, auf welchem Schulzweig sich der Schüler befindet,
keine Lerninhalte schriftlich abgefragt werden,
die
länger als vor drei (sechs) Wochen im Unterricht behandelt worden sind.
3.
Wie soll da eine Gedächtnisschulung stattfinden?
5. Fächer in denen kurze schriftliche Lernerfolgskontrollen
zulässig sind
„Diese Ausführungsvorschriften
regeln Art, Anzahl, Inhalt und Dauer der schriftlichen Lernerfolgskontrollen,
die benotet werden.
Weitere benotete schriftliche
Lernerfolgskontrollen sind nicht zulässig; dies gilt nicht für den Fall dass
Hausaufgaben schriftlich überprüft
und
benotet werden.“
(Quelle: 8 Abschnitt 1 – Schriftliche Klassenarbeiten – kurze
schriftliche Lernerfolgskontrollen, Absatz 2)
6.
Überlappung von Leistungsanforderungen
Dann hatte man die festgestellt,
dass kurze schriftlichen Lernzielkontrollen auch an Tagen durchgeführt worden
sind, an denn auch
Klassenarbeiten
geschrieben worden sind.
In
einem Rundschreiben aus dem Jahre 1977 wurde darauf hin gewiesen, dass die oben
genannte Vorschrift, dass an einem Tage nur eine
Klassenarbeit
geschrieben werden soll, so aus zulegen sei, dass neben einer Klassenarbeit
eine Lernzielkontrolle in der Regel nicht zulässig
sei.
Als
Begründung führte die Schulverwaltung an, dass sie „die damit verbundene
Belastung der Schüler für pädagogisch nicht tragbar hielt“.
(Q. 7 aus 1977)
7.
In unmittelbaren Zusammenhang mit dem
gerade behandelten Stoff
In einem anderen Rundschreiben aus
1973 wurde die Formulierung, dass die abfragbaren Inhalte „in unmittelbaren
Zusammenhang mit dem
gerade
behandelten Stoff“ stehen müssen, so auszulegen seien, dass sich die Inhalte
nicht nur auf eine einzigen Unterrichtsstunde beziehen
müssen.
Weiter
heißt es wörtlich:
„Andererseits
ist es ausgeschlossen, allgemeinen Wiederholungen anzusetzen, um anschließend
größere Stoffmengen abzufragen.“
(Q. 3 Abschnitt 1, dritter Absatz)
In
dem selben Rundschreiben heißt es dann weiter
„Im
Hinblick auf die Anforderungen der Gymnasialen Oberstufe erscheint es
pädagogisch sinnvoll, von der 9. Klasse an in mindestens
zweistündig
unterrichteten Fächern (außer Leibesübungen) im Zusammenhang mit entsprechenden
Unterrichtseinheiten schriftliche
Lernzielkontrollen
auch bis zu einer vollen
Unterrichtsstunde auszudehnen.“
(Q. 3 Abschnitt 1, siebenter Absatz)
5. Eigene Gesamtbewertung
(der
Vorgaben für die schriftlichen Klassenarbeiten und für die kurzenschriftlichen
Lernerfolgskontrollen)
(Aus:
Meine Kritik-Punkte; aus 11 Leistungskontrollen)
5.1 Die Gedächtnisschulung der Schüler
1. Eine Gedächtnis-Schulung der Schüler,
die auf das Langzeitgedächtnis abzielt, wird durch diese
Ausführungsvorschriften nahezu systematisch
und
auch konsequent bis zur 10. Klasse verhindert.
(Konsequent
uns systematisch nenne ich es, weil es sich
o
auf alle Unterrichts-Fächer,
o
an allen Schul-Zweigen und
o
auf alle Berliner Schulen bezieht.
2.
Man schafft für den Schüler (angeblich) ihn schützende Bestimmungen.
(Er
soll keinesfalls überfordert werden.)
Langfristig
schadet das seiner Bildung.
Er
kann gar kein Langzeitgedächtnis entwickeln.
Er
lernt jahrelang - ein ganzes Jahrzehnt
- nur von KSL zu KSL, von
Klassenarbeit
zu Klassenarbeit und von der einen Klausur zur nächsten.
Das
wissen inzwischen auch (fast) alle Eltern und leiden darunter.
3.
Die Institution Schule, die ausschließlich für die Bildung von Schülern da ist,
behindert durch administrative Vorgaben, dass sich ein
wichtiger
Grundbaustein der Bildung - das Langzeitgedächtnis - entwickeln kann.
Da
diese Behindern so lange dauert, flächendeckend angelegt ist und sich bei den
genannten Fächern auf alle Unterrichtsinhalte bezieht,
kann
man wohl von Verhindern von Bildung durch den Staat in einem wichtigen Element
der Bildung junger Menschen reden.
4.
Die Tatsache, dass der Schüler genau so lange und dafür - also anstelle des Langzeitgedächtnisses
- sein Kurzzeitgedächtnis trainiert, kann
über
diesen eklatanten Mangel nicht hinweghelfen.
Der
Mensch benötigt beides und beides muss spezifisch trainiert werden.
5.2
Ein Beitrag zur Verwahrlosung
Durch diese Vorgaben begünstigt der
Staat durch seine eigenen administrativen Vorschriften die Verwahrlosung von
Kindern, Jugendlichen
und
Heranwachsenden. Wenn man der Definition von Margret Mead folgt, ist es ein
Zeichen von Verwahrlosung, wenn Jugendliche nicht
mehr
langfristige Ziele anstreben können.
(Quelle:
Margret Mead in: Die )
5.3 Darstellung von Sachverhalten
In
den meisten Fächern wird vom Schüler - während seiner gesamten Schulzeit wie
oben nachgewiesen wurde - keine schriftliche
Leistungskontrolle
verlangt.
1.
Ein Schüler weiß also - in der Mehrzahl der Fächern – nie, wie er
leistungsmäßig steht.
2.
Er kann nie sicher sein, ob er einen verstandenen, gelernten und geübten
Sachverhalt auch richtig und sachgerecht darstellen kann und
seine
Darstellung einer möglichen Kritik von seinen Mitschülern und dem Lehrer stand
hält.
o
Das wäre aber für seine Identitätsbildung besonders wichtig.
o Er erhält zwar
Schulnoten, kann diese Bewertung aber mit seinen eigenen Einschätzungen seiner
Leistung nur sehr schlecht in
Einklang bringen.
3.
Aber in der AV-Klassenarbeiten heißt es:
„Schriftliche
Klassenarbeiten sollen dem Schüler ermöglichen, den Stand der eigenen
Leistungsentwicklung zu erkennen, sowie denjenigen,
denen
die mündliche Mitarbeit im Unterricht schwer fällt, Vertrauen in die eigene
Leistung zu geben.“
(Quelle: 3; Nummer 2 Grundsätze, Absatz [1],
erster Satz der AV – Klassenarbeiten)
4.
Es stellen sich fast zwangsläufig Fragen:
o
Warum bleibt dieser (durchaus lobenswerte) Grundsatz nur auf eine Minderheit
der Unterrichtsfächer beschränkt?
(Selbst
wenn es die wichtigen ehemaligen Hauptfächer sind.)
o
Warum bezieht man diesen Grundsatz nicht auf alle Fächer?
o
Warum werden von diesem Erziehungsziel alle künstlerischen und alle
naturwissenschaftlichen Fächer ausgeschlossen?
5.4
Basiswissen, funktionales Wissen, Grundwissen
Es wird fast nur noch von „Lerninhalten“
gesprochen und geschrieben.
Es
wird kaum noch unterschieden was zum strukturellen Wissen gehört, was
Basiswissen ist und was zum Grundwissen gehört.
Bösartig
könnte man nun behaupten:
Wenn
den Schülern indirekt vermittelt werden soll, dass alle Wissenselemente gleich
sind, braucht man diese Unterscheidung auch nicht
und
kann auf sie getrost verzichten!
Eine
Unterscheidung könnte ja den Finger auf die Wunde legen und entlarvend wirken!
Es
werden auch keine Kenntnisse über die unterschiedlichen Methoden der
Wissenschaften und den sich daraus ergebenden Wissensinhalten vermittelt.
Es
wird nicht der Stellenwert von einzelnen Wissenselementen verdeutlicht.
Die
Folge für die Schüler ist zweifelsfrei, dass sie jedes Unterrichtfach als
unendlich erscheinende Straßen erfahren, die voll gepflastert mit
kaum
erlernbaren Wissenselementen ist.
5.5
Nebenwirkungen (nicht nur auf den Lehrer bezogen)
1. Das System Schule setzt auf
Regelungsmechanismen, die mit den Regel-Vorgaben nicht expressis verbis (=
ausdrücklich) genannt werden.
Es
wird auch hier etwas vorgetäuscht.
Einerseits
werden Möglichkeiten eröffnet, die kaum ein Lehrer er nutzen kann).
(Beispiele:
KSL
in Deutsch zusätzlich zu den Diktaten und Aufsätzen.)
KSL
in anderen Fächern, die nicht zwingend vorgeschrieben sind.
Andererseits
werden durch diese Regel-Vorgabe – die von mir durchaus als sinnvoll erachtete
- Möglichkeiten der Darstellung in vielen
Unterrichtsfächern
nahezu ausgeschlossen.
Es
darf keinen Klassenarbeit in den Unterrichtsfächern Sport, Musik, Kunst,
Erdkunde, Geschichte, Physik, Chemie und Biologie.
Und
das in keiner Klassenstufe in keinem Schulzweig der Berliner Schule!
2.
Der Regelungsmechanismus begünstigt den Lehrer, der Bildung verhindert.
o
Er schreibt keine Leistungskontrollen.
o
Er gibt zu gute - also der Leistung nicht angemessene – Noten.
o
Er gibt die Note 4- (Vier minus) und schafft sich so Ärger und Arbeit vom Hals.
Diese
Entscheidung statt der Note 5 („mangelhaft“) die Note 4- zugeben, hat
entscheidende Auswirkungen auf die Versetzung eines
Schülers.
(Hinweis:
Über
die Regelungen in der Versetzungsordnung ist ein anderes Kapitel (1.04
Versetzungsordnung in der Berliner Schule) gewidmet.)
3.
Die Regelungen „bestraft“ den Lehrer, der sich Mühe gibt.
(durch
zusätzliche - weil nicht vorgeschriebene Arbeit)
4.
Die Regelungen „bestraft“ den Lehrer, der etwas verlangt. (durch ein
schlechteres Image bei den Kollegen, beim Schulleiter bei den
Schülern
und Eltern und halst ihm zusätzlich noch mehr Arbeit auf)
Ist
es da ein Wunder, dass quasi aus individueller Not geboren Lösungen in der
Grauzone kreiert werden, die ihren Glanz durch rasche
Verbreitung
finden.
5.6
Nebenwirkungen (nicht nur auf den Schüler bezogen)
1. In den meisten Fächern wird keine
Leistungskontrolle verlangt.
Ein
Schüler weiß nie wie er leistungsmäßig steht.
2.
Ein auf Leistung begründetes - also natürlich begründetes - Selbstwertgefühl
kann sich so nur schlecht und unvollständig einstellen.
3.
Er wird unsicher und kann depressiv oder gar aggressiv werden.
4.
Alle drei Möglichkeiten sind weder für den Schüler als Individuum noch für
seine Rolle als Mitglied der Gesellschaft erstrebenswert.
5.7 Kritik an der
Senatsverwaltung für Schule Jugend und Sport
1. Statt nun von Seiten der Schulaufsicht
oder der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport froh zu sein,
dass überhaupt noch jemand
kurze
schriftliche Lernerfolgskontrollen schreibt (z. B. in den Fächern,
o
in denen bereits Klassenarbeiten geschrieben werden,
aber
auch in den Fächern,
o
in denen überhaupt keine Klassenarbeiten sondern höchstens die kurzen
schriftlichen Lernerfolgskontrollen geschrieben werden dürfen, hat
man
auch hier viele Vorschriften und Regeln erlassen und damit Freiräume der Lehrer
zugeschüttet.
2. Man schafft für den Schüler (angeblich)
ihn schützende Bestimmungen.
(Er
soll keinesfalls überfordert werden.)
Langfristig
schadet das seiner Bildung.
Er
kann gar kein Langzeitgedächtnis entwickeln.
Er
lernt jahrelang - ein ganzes Jahrzehnt
- nur von KSL zu KSL, von Klassenarbeit zu Klassenarbeit (und später von
der einen Klausur zur
nächsten
Klausur.)
Das
wissen inzwischen auch (fast) alle Eltern und leiden darunter.
3. Eine Gedächtnis-Schulung der Schüler,
die auf das Langzeitgedächtnis abzielt, wird durch diese
Ausführungsvorschriften nahezu systematisch
und
konsequent bis zur 10. Klasse verhindert.
Konsequent
uns systematisch nenne ich es, weil es sich
auf
alle Unterrichts-Fächer,
an
allen Schul-Zweigen und
auf
alle Berliner Schulen bezieht.
4. Die Institution Schule, die
ausschließlich für die Bildung von Schülern da ist, behindert durch
administrative Vorgaben, dass sich zwei
wichtige
Grundbausteine der Bildung
-
das Langzeitgedächtnis und
-
die Fähigkeit zur Darstellung von Sachverhaltenen
entwickeln
können.
5.
Da diese Behindern so lange dauert, flächendeckend angelegt ist und sich bei
den genannten Fächern auf alle Unterrichtsinhalte bezieht, kann
man
wohl von Verhindern von Bildung durch den Staat in einem wichtigen Element der
Bildung junger Menschen reden.
6.
Die Tatsache, dass der Schüler genau so lange und dafür - also anstelle des Langzeitgedächtnisses
- sein Kurzzeitgedächtnis trainiert, kann
über
diesen eklatanten Mangel nicht hinweghelfen.
Der
Mensch benötigt beides und beides muss spezifisch trainiert werden.
7.
Mit wenig Geld und mit wenig Aufwand leistet die Schulverwaltung einen
beachtlichen Beitrag zur Verhinderung von Bildung.
So
ganz nebenbei wird auch noch ein weitere vielleicht noch wichtigere allgemeine
Wirkung erzielt: Die Bereitschaft langfristige Ziele
anzustreben, wird so nicht nur nicht geübt
sondern fast unmöglich gemacht!
Wenn
man z.B. der englischen Soziologin Margret Mead oder seinem eigenen Verstand
folgt, wird damit ein Beitrag zur Verwahrlosung der
Jugend
geleistet.
8.
Ein gesellschaftspolitischer Aspekt der Bildung –ich würde fast sagen, wenn es nicht so verpönt wäre, ein gesundes
auf eigene Leistung
begründetes
Selbstvertrauen der Jugendlichen und der heranwachsenden Generation wird
nicht gefördert sondern nahezu verhindert - mit
allen
bösen Folgen im politischen Parteien-Spektrum.
5.8
Fazit der Gesamtbewertung (in einzelne Fehler zerlegt)
Die
Fehler, die der Staat im Zusammenhang mit der Messung der Leistungen von
Schülern begeht, sind vielfältiger
Natur:
(1) Er begeht Fehler, wenn er durch administrative Maßnahmen über
alle Schulbesuchsjahre - also über einen Zeitraum von 10
Jahren
– verhindert, dass die Schüler ein Langzeitgedächtnis entwickeln.
(2) Er begeht Fehler, wenn er darauf
verzichtet, Kindern, Jugendlichen und Heranwachsende zu vermitteln, dass es
sich lohnt,
langfristige Ziele anzustreben.
(3)
Er begeht einen Fehler, wenn er in allen 10 Schulbesuchsjahren nicht
vermittelt, dass jedes Wissenselement innerhalb eine
Fachdisziplin
einen bestimmten Stellenwert besitzt, der zukünftiges Lernen erleichtern kann
z.B. durch Einordnen können,
besser
bewerten können, deduktives Ableiten können usw.
(4)
Er begeht Fehler durch Verstöße gegen die Leistungsbereitschaft, wenn man mit
immer geringeren Leistungen die gleichen
Noten
erhält.
(5)
Er begeht den Fehler durch Verstoß gegen Gesetze der Psychologie, wenn man z.B.
gesellschaftliche Anerkennung auch ohne
Leistungen
erhalten kann.
(6)
Er begeht einen Fehler, wenn er darauf verzichtet, den Kindern, Schülern und
Heranwachsenden ein Selbstwertgefühl zu
vermitteln,
das auf eigener Leistung beruht.
(7)
Er begeht einen Fehler, wenn er einen sehr großen Arbeitsaufwand für ein
vorschriftengetreues Verhalten verlangt, so dass
nach
ökonomischen Gesetzen andere Lösungen in der Grauzone gesucht, gefunden und
praktiziert werden, die letztendlich
auch
die Schulaufsicht billigend zur Kenntnis nimmt. (Siehe Quelle 10)
(8)
Er begeht einen Fehler, wenn er Lehrer durch teilweise widersinnige
Vorschriften gängelt, eigne Initiativen erstickt und gerade
die
engagierten Lehrer demotiviert.
(9)
Der Staat begeht den Fehler, sehr unzureichend für eine zukunftsfähige
Allgemeinbildung zu sorgen, die die Voraussetzung für
Ausbildung
und Studium ist.
Viele Jugendliche müssen ihren
Hauptschulabschluss nachmachen!
Viele
Jugendliche müssen während ihrer Ausbildungszeit Zusatzkurse für Kulturtechniken
(Lesen, Schreiben und Rechnen) belegen.
(10) Die heutige Jugend (und die noch nicht
einmal Geborenen) werden gleich von zwei Seiten in die Zange genommen:
(1)
Es sind zum einen die hohen öffentlichen Schulden.
(2)
Es ist zum anderen der lange dauernde beruflichen Werdegang mit noch dazu
schlechten Qualifikationen.
(11)
Damit einher vermittelt der Staat die Einsicht, dass die Möglichkeiten, einen
dem heutigen Lebensstandard vergleichbaren
Wohlstand
zu erlangen, kaum erreicht werden.
(12)
Damit einher vermittelt der Staat die Einsicht, das die Chance, den heute
angehäuften Schuldenberg zu bedienen oder jemals
abzutragen kaum gelingen kann.
(13) Für die Überwachung
dieser Vorschriften ist gesorgt:
Über die Einhaltung wachen
automatisch alle Schüler in allen Klassen und bei jedem Lehrer.
Es
wacht die Schülermitbestimmung und der Vertrauenslehrer.
Auch
der Schulleiter überwacht die Einhaltung dieser Vorschrift; ist er doch in der
Schule vor Ort der höchste Beamte und an Recht und
Gesetz
gebunden und verpflichtet, für die Einhaltung aller Regeln zu sorgen.
6. Zusammenfassende Bewertung (in allgemeiner Sichtweise)
1. Eine
Gedächtnisschulung der Schüler wird durch Vorschriften in allen Klassen in
allen Klassenstufen von 1 bis 10 in allen
Schularten
stark behindert bzw. verhindert.
Eine
Gedächtnis-Schulung der Schüler, die auf das Langzeitgedächtnis abzielt,
wird durch diese Ausführungsvorschriften nahezu systematisch
und
konsequent bis zur 10. Klasse verhindert.
Konsequent
und systematisch nenne ich es, weil es sich
auf
alle Unterrichts-Fächer,
an
allen Schul-Zweigen und
auf
alle etwa 1 000 Berliner Schulen bezieht.
2.
Der Schüler, der sein Wissen, seine Einsichten und Erkenntnisse nicht einordnen
kann, sie nicht bewerten kann, weiß nicht wie
wichtig
dies oder jenes ist. Er hat keine Orientierung für weiteres Wissensaneignung.
3.
Damit wird - so ganz neben bei - ein Beitrag zur Verwahrlosung geleistet.
Resignation vor der nicht zu bewältigen Fülle von
Wissen
kann sich breit machen. Frustration macht sich breit und Lethargie.
Man
sucht andere Betätigungsfelder außerhalb der Schule, die mit weniger Frust
verbunden sind und dafür kurzfristige Spaß
(nicht
Freue) machen.
4.
Alle
Abgänger der Allgemeinbildenden Schule und alle Übergänger in die gymnasiale
Oberstufe tragen das wohl wichtigste
Merkmal der
Verwahrlosung:
Sie
können keine langfristige Ziele anzustreben!
Es
sei denn sie haben dies im Elternhaus oder in einem Verein gelernt - jedenfalls
nicht in der Schule!
5.
Alle Abgänger haben auch ihr Langzeitgedächtnis nicht trainiert können.
6.
Sie können sich deshalb auch wichtiges nicht merken, was ja die Unterscheidung
von wichtigen und unwichtigen voraussetzen
würde,
was sie ja nie üben konnten.
7.
Spätestens bei der Frage der Studierfähigkeit wird dieser Sachverhalt relevant.
Wenn nun diese
Vorschriften in der Oberstufe des Gymnasiums nicht mehr gelten, so ist es für
diese Schüler besonders schwer, sich darauf
einzustellen,
denn auch für sie galt in der Mittelstufe des Gymnasiums diese Vorschriften.
Warum
braucht man überhaupt eine Einführungsphase von einem ganzen Schuljahr, wenn
doch die Versetzung nach der 10. Klasse nur in die
Oberstufe
möglich ist?
Sind
die Abgänger der 10. Klasse nicht fähig, in das erste Semester zu wechseln?
7. Quellenangaben:
1. „Ausführungsvorschriften
betreffend schriftliche Klassenarbeiten“ vom 16.2.1966 Dbl. III/1966/26
2.
„Ausführungsvorschriften über schriftliche Klassenarbeiten“ vom 19.12.1972
3.
Rundschreiben zu „Ausführungsvorschriften über schriftliche Klassenarbeiten“
vom 19.12.1972
hier: 1. Kurze schriftliche Lernzielkontrollen:
2.
Klassenarbeiten bei Neubeginn einer modernen Fremdsprache vom 3.10. 1973 Schul
II b O (Schulrecht II A I S. 30)
4.
„Ausführungsvorschriften über schriftliche Klassenarbeiten“ Dbl. III/73 Nr. 16
5.
Verwaltungsvorschrift en zu Änderung der Ausführungsvorschriften über
schriftliche Klassenarbeiten“ Dbl. III/75 Nr. 17 vom 18.3.1975
6. „Änderung der
Ausführungsvorschriften betreffend schriftliche Klassenarbeiten“ vom 16 Februar
1976 Dbl. III Nr. 21
7.
Rundschreiben zu „Kurze schriftliche Lernzielkontrollen“ II Nr. 1/1977 vom
7.1.1977
8.
„Ausführungsvorschriften über schriftliche Klassenarbeiten“ vom 5. Juni 1979 in
der Fassung vom 13. August 1984
Abl.
1984 Nr. 44 (31.August 1984) Hier: Abschnitt 2 Noten Absatz 1
9. „Ausführungsvorschriften über
schriftliche Klassenarbeiten“ (AV-Klassenarbeiten) vom 2. April 1990
Abl.
S. 694 - DBl III S. 71, (geändert am
18. August 1994)
ABl.
S. 2 795)
(Hier: Abschnitt
3; Nummer 2 Grundsätze, Absatz [1], erster Satz) und andere Fundstellen, die
jeweils bereits im Text angegeben
sind)
10. Schreiben der Schulaufsicht
Spandau vom 16. Mai 1990