Jochen Olbrich                                                                                                                                                                             07.12.2004

           Reformen
15. Die Reformen von unten
        2. Fassung

 

 

Reformen

15. Die Reformen von unten

 

1. Die Realisierung und die Vermarktung der Reform von unten
   
Nehmen wir an, Sie hätten die Lösung für ein Problem gefunden!
     Es stellt sich nach dem Abklingen der intellektuell bestimmten Freude sofort die Frage:
     Was machen Sie mit dieser Idee, mit dieser Erkenntnis, mit diesem Konzept?
     Das Wichtigste ist zunächst für Sie die schriftliche Fixierung!
     Was machen Sie nun?

     Sie haben sofort zwei grundsätzliche Probleme:

     1. Sollen Sie sich mit der jetzigen bestehenden miserable Situation befassen, diese darstellen, die Gründe aufzeigen und ihre Lösung darstellen?

     oder

     2. Sollen Sie einfach  nur Ihre Verbesserungsvorschläge - also ihre Lösungsvorschläge - darstellen?

1.1 Darstellung der Lösung der Verbesserungsvorschläge
     Sie stellen ihre Lösung eines Problems dar!
     Sie werden von vielen einfach nicht verstanden!
     Sie lösen ein Problem, das nicht alle erkennen und von dem nicht alle betroffen sind.
     Sie lösen ein Problem, das nicht jeder sieht.
     Sie werden von Anderen überhaupt nicht wahrgenommen; sie haben nämlich andere wichtigere Probleme!
     Diese Anderen sind „einfach zugeschüttet“ und stecken voll in anderen Problemen!
     Sie wollen sich nicht – in ihrer Freizeit - auch noch damit befassen.

     Sie „verkaufen“ praktisch einen Schlüssel zu einer Tür, die niemand öffnen will!
     Die Lösung eines Problems, dass nicht im Bewusstsein ist, kann nicht gesehen werden!!!
     Man sieht weder die Probleme noch die Lösung. Zumindest wird ihr Stellenwert nicht richtig wahrgenommen!
     Die Voraussetzung für das Erkennen einer richtigen Lösung für ein Problem ist, dass man das Problem überhaupt sieht!
    
     Nur für Probleme, die man erkennt, kann es Akzeptanz für eine Lösung geben!

     Sie werden sich nun fragen, wer die Adressaten ihrer Ideen, ihrer Konzepte sein sollen!
     Es gibt keine Adressaten für ihre Ideen und Konzepte!
     Es sei denn, Sie suchen sich welche aus der anonymen Masse der Bevölkerung!
     Dafür gibt es allerdings mehrere Möglichkeiten:
         Sie bieten es einer Regierungspartei an!
         Sie schreiben ein Buch!
         Sie stellen die Beschreibung der Problem und deren Lösung ins Internet!
         Sie gründen eine Initiative!
         Sie gründen selbst eine Partei!

     Betrachten wir nun die andere Möglichkeit!


1.2 Darstellung des miserablen Ist-Zustandes und ihre Verbesserung
     Sollen Sie darauf hinweisen, wie schlecht das Bisherige ist?
     Sollen Sie die Mängel des bestehenden ins Bewusstsein rufen?
     Sollen Sie die Ursachen der Probleme mühsam darstellen?
     Da bei uns alles in kompliziertem Systemen geregelt ist, ist dies in ein sehr mühsames Unterfangen.
     Sie brauchen drei Seiten um eine gute Idee mit ihren Auswirkungen darzustellen.
     Sie brauchen aber 30 bis 300 Seiten, um die Ursachen der Probleme aufzudecken!
         Wer will das hören?
         Wer soll das lesen?
         Wer soll sich damit befassen?
         Für wen schreiben Sie das also alles auf?

     Auf welchem Niveau von Vorwissen und Verständnis soll Ihre Darstellung geschrieben werden?
         Sollen Sie das so schreiben, dass es jeder verstehen kann?
         Sollen das nur Fachleute oder sogenannte (selbsternannte) Experten verstehen?
         Politiker haben Angst vor einfachen Formulierungen und Formeln, obwohl sie solche im Wahlkampf selber benutzten!
         (Es muss ja alles wissenschaftlich sein!)

     Es droht Ihnen sofort die Diskreditierung:
         Man versucht, ihnen deutlich zu machen, das die angeschriebene Partei nicht so reformfreudig ist wie Sie vermuten
         oder wie es notwendig wäre.
         Man wird ihnen vielleicht Populismus vorwerfen!
         Die Welt ist komplizierter als Sie die Welt darstellen!
         Da sind gewachsenen Strukturen und Regelwerke!
         Und nun kommen Sie daher und wollen sofort alles über den Haufen werfen!
         So geht das nicht!
         Schließlich haben wir eine demokratisch verfasste Gesellschaft mit einer repräsentativen Demokratie!
         Und schon sind Sie ein Basisdemokrat oder schlimmeres!

     Zu beachtende Einsicht:
         Nicht der Kampf um die besten Ideen beherrscht Deutschland,     sondern der Erhalt der Macht und die Beibehaltung der das System
         unterstützenden Personen und Strukturen.

     Nun können Sie ja zu dem Schluss kommen und glauben, dass Sie Ihre Ideen nicht etwa an die Öffentlichkeit bringen sollen,
     sondern an die dafür zuständigen Einrichtungen des Staates!
     Probieren Sie es!
     Es gibt keine Reaktion, obwohl die Behörden verpflichtet sind, nach einer gewissen Zeit zu antworten!
     (z.B. nach der „Allgemeine Geschäftsordnung der Berliner Verwaltung [GGO])

     Es gibt kaum eine Resonanz:
         Es gibt weder einerfreutes „Darauf Eingehen“, noch eine kritische aber freundliche Würdigung, noch einen begründeten
         abschlägigen Bescheid.

     Wenn Sie aber eine Reaktion erhalten sieht sie etwa so aus:
         Sie werden vertröstet.
         Es wird ihnen erklärt, dass ein anderer zuständig ist, verbunden mit der Bitte sich dort hin zu wenden!
         Es wird Ihnen erklärt, dass eine andere Abteilung mit betroffen ist!
         Es wird Ihnen erklärt, dass der zuständige Sachbearbeitet schon lange erkrankt ist!
         Die, die dafür zuständig sind erklären, dass noch eine unverzichtbare Grundsatzentscheidung zu treffen sei!
         Sie erhalten nach vielen Monaten eine sehr kurze abschlägige Bescheid mit einer fadenscheinigen rechtlichen
         – eigentlich haarsträubenden - Begründung!
         Sie werden - und sollen - den Eindruck gewinnen, dass sie nur stören!!!