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Lohn-Nebenkosten
oder
Personal-Zusatzkosten
23. Kapitel
Aus der Serie „Falsche Begriffe und Zahlen“
23.1 Die erste Fallstudie
Die Vorgaben: Bruttolohn: 3 000 DM
Steuerklasse
1
aus
dem Jahre 1992
Gliederung
1.
Brutto-, Nettolohn und Nebenkosten
2.
Was bedeutet eine Lohnerhöhung von z.B. 6 % ?
3.
Zusammenstellung der bisher errechneten Zahlen in einer Tabelle
3.1 Bruttolohn 3 000.-- DM (alter Zustand)
3.2 Lohnerhöhung von 6%
3.3 Betrachtung nur der eigentlichen Lohnerhöhung
4.
Ergebnisse (in verbalisierter Form)
4.1 Bruttolohn 3 000.-- DM
4.2 Bruttolohn 3 180.-- DM (durch einen Lohnerhöhung von 6%)
4.3 Die eigentliche Lohnerhöhung von 6 %
4.4 Ergebnisse zusammengefasst
4.4.1 Netto-Anteil vom Bruttolohn
4.4.2 Bruttolohn und (Brutto-) Wertschöpfung
4.4.3 Anteil des Brutto-Lohns an der Brutto-Wertschöpfung
4.4.4 Netto-Anteil von der (Brutto-)Wertschöpfung
4.5 Lohnerhöhungen nach jeder abgelaufenen Tarifzeit
5.
Ausblick
Ausführungen
1. Brutto-, Nettolohn und Nebenkosten
1.1 Die Nebenkosten betrugen 1992 im
produzierenden Gewerbe bereits 84 % des Entgelts für
geleistete
Arbeit (im Bankensektor bereits 102,8 % ).
(Quelle: „Die
Personalzusatzkosten betrugen 1999 fast 41 000 DM je Beschäftigten“,
Handelsblatt
vom 10.05.2000)
Der
durchschnittlichen Nettoanteil der durchschnittlichen Arbeitskosten ist von
1970 bis 1993 von 66 % auf 54 % gesunken.
Die
durchschnittlichen Personalkosten (Bruttolöhne plus Lohnnebenkosten) sind
seitdem von
1
350 DM auf 4 900 DM also um 3 550 DM gestiegen.
Von
dieser Steigerung kamen jedoch nur 1 755 DM in der Lohntüte an!
(Quelle: imu
93 08 23 nach Statistisches Bundesamt; Handelsblatt vom 06./07.08.193)
1.2 Ein Arbeitnehmer, der 100,-- DM Bruttolohn bezieht, „verursacht“ 84,-- DM
an Nebenkosten dem Arbeitgeber.
Wegen
der so genannten paritätischen Finanzierung der Sozialbeträge muss jeder
Arbeitgeber die Hälfte zahlen. Außerdem kommen noch andere Kosten
wie
Urlaubsgeld, Krankengeld für die ersten 6 Wochen hinzu die zusammen die
Lohnebenkosten ausmachen.
1.3 Da der Arbeitgeber das nicht aus der eigenen Tasche bezahlen kann, muss er
sich irgendwie schadlos halten.
Er wälzt diese Kosten über die Preise
seiner Waren oder der angebotenen Dienstleistungen ab!
1.4 Bei einem Bruttolohn von z.B. 3 000,-- DM im Monat fallen außerdem für den
Arbeitgeber
2
520,-- DM Nebenkosten an.
Die Rechnung:
30
mal 84 .- DM ergibt 2 520.- DM
1.5. Der Arbeitnehmer muss also im Monat für 3 000 .—DM
Werte erarbeiten.
Der
Arbeitgeber muss aber 5 520,-- DM erwirtschaften.
1.6 Von diesen 3 000,-- DM erhält der Arbeitnehmer aber nur den Nettolohn.
Es
gehen ab:
6.1 Lohnsteuer Steuerklasse I 441,50
DM
6.2 Kirchensteuer 39,73 DM
6.3 Rentenversicherung 8,75 % 262,50 DM
6.4 Arbeitslosenversicherung 3,25 % 97,50 DM
6.5 Krankenversicher. (AOK) 7,45 % 223,50 DM
-----------------------------------------------------------------------------------------
Zusammen 1
064,73 DM
1.7 Zieht man diese Summe vom Bruttolohn ab, so
erhält man den Nettolohn.
1.8 Der Nettolohn beträgt 1 935,27 DM (Das sind 35,1 % der
erwirtschafteten Werte. )
Die Rechnung 1: Die
Rechnung 2:
3
000,00-DM 1 935,27
DM von 5 520.-DM sind 35,050 %
minus 1 064,73 DM
--------------------------
1
935,27 DM
2. Was bedeutet eine Lohnerhöhung von z.B. 6 % ?
2.01 Die Tarifkompromissvereinbarung von
6 % bedeutet eine Verbesserung der Entlohnung
von
6 % vom Bruttolohn von 3 000,-- DM um 180, -- DM.
2.02 Der Arbeitnehmer erhält also in Zukunft ein Bruttolohn von 3 180, --- DM.
2.03 Von diesen Bruttolohn gingen ab! [alles in DM] (Siehe
Seite 1):
Bruttolohn 3 000,- 3 180,- (zusätzliche
Abzüge)
6.1
Lohnsteuer Steuerklasse l 441,50 492,91 51,41
6.2 Kirchensteuer 39,73 44,36 4,63
6.3
Rentenvers. 262,50 278,25 15,75
6.4-
Arbeitslosenvers. 97,50 103,35 5,85
6.5
Krankenvers. 223,50 236,91 13,41
----------------------------------------------------------------------------------------------------------
Summen 1
064,73 1 155,78 91,05
2.04 Die Gesamtsumme der Abgaben und Steuern ist also 1 155,78 DM
2.05 Der Arbeitnehmer verdient dann nach der Lohnerhöhung 2 024,22 DM.
(statt
vorher 1 935,27 DM)
Die Rechnung:
3
180,-- DM brutto
minus 1 155,78 DM Abzüge
2
024,22 DM netto
2.06 Der
Arbeitnehmer verdient dann von dem Bruttolohnzuwachs von 180,-- DM nicht einmal
mehr
die Hälfe davon als Nettolohn, nämlich nur noch rund
89 DM.
Die Rechnung:
180.
-- DM
minus 91,05
DM
-----------------------
88,95
DM
2.07 Der Arbeitnehmer muss aber praktisch nicht nur seinen Nettolohnzuwachs
(von 89 DM)
zusätzlich
erwirtschaften, auch nicht nur seinen Bruttolohnzuwachs (von 180 DM),
sondern
er muss praktisch auch die Lohnnebenkosten (von 151,20 DM) für diesen
Bruttolohnzuwachs
erwirtschaften.
Diesen
Bruttolohnzuwachs einschließlich der darauf entfallenden Lohnnebenkosten muss
der
Arbeitnehmer erwirtschaften, wenn der Arbeitsplatz rentabel sein soll.
Das
sind insgesamt 331,20 DM.
Die
auf den Lohnzuwachs entfallende sog. Nebenkosten (sowie den Bruttolohn) muss
der
Arbeitgeber
auf die Preise abwälzen.
Deshalb
merkt es der Arbeitnehmer nicht unmittelbar!
Aber
es wirkt sich auch indirekt auf den Arbeitnehmer aus:
in
höheren Stückkosten,
in
einer erforderlichen höheren Produktivität und
in
mehr Hetze am Arbeitsplatz!
Der
Arbeitsplatz wird also mit 331,20 DM zusätzlich belastet.
Die
Rechnung:
180,-- DM und
151,20
DM (= 84 % von 180,-- DM)
---------------
331,20
DM
2.08 Der Arbeitsplatz ist nur rentabel, wenn der Arbeitgeber nach der
Lohnerhöhung für die auf
diesem
Arbeitsplatz erwirtschafteten Werte nun nicht mehr nur 5 520,-- DM erlösen kann,
sondern
331,20 DM mehr als 5 851,20 DM erlösen kann.
2.09 Eine 6 %-ige Lohnerhöhung, die bei einem
Bruttolohn von 3 000,-- DM einer Erhöhung des
Bruttolohns
von 180,--DM entspricht, verteuert also den Arbeitsplatz um 331,20 DM.
2.10 Wegen der
Steuerprogression und wegen der an die Progression angeknüpften anderen
Abgaben
(s.o.) erhält der Arbeitnehmer aber einen immer kleiner werdenden Anteil bis
zum
Höchststeuersatz von z.Z. 53 % (beziehungsweise 49 %) am Lohnzuwachs.
2.11 Zunächst erhält der Arbeitnehmer 1 935,27 DM von dem erwirtschafteten Wert
von 5 520,-- DM (Das sind 35,1 %!)
Nach
der Lohnerhöhung erhält er nur noch 88,95 DM von dem zusätzlich
erwirtschafteten Wert von 331,20 DM (Das sind 26,9 %!)
2.12 Da sich dieser Trend mit jeder neuen Lohnerhöhung fortsetzt, gleicht das einem wahren Teufelskreis!
Der
Arbeitnehmer erhält einen immer kleiner werdenden Anteil von dem durch ihn erwirtschaften
Wert.
2.13 Der Arbeitgeber steckt ebenfalls in einem Teufelskreis:
Er
muss nach jeder Lohnerhöhung ein Vielfaches dessen, was der Arbeitnehmer netto
erhält,
am Markt über höhere Preise im internationalen Wettbewerb erwirtschaften!
3. Zusammenstellung der bisher errechneten Zahlen in
einer Tabelle
3.1 Bruttolohn 3 000.-- DM (alter Zustand)
absolute
Beträge Prozents. Nebenkosten Arbeitsplatzk. Prozents.
Bruttolohn 3 000, -- DM 100,00 % 2
250, -- 5 520,--
Summe
der Abzüge 1 064,73 DM 35,49
%
Nettolohn
1 935,27 DM 64,51 % 35,06
%
3.2 Lohnerhöhung von 6%
Bruttolohn 3 180,-- DM 100,00 % 2
581,20 5 851,20
Summe
der Abzüge 1 155,78 DM 36,35 %
Nettolohn 2 024,22 DM 63,65 % 34,59 %
3.3 Betrachtung nur der eigentlichen Lohnerhöhung
Während
sich diese Zahlen hier noch sehr moderat gestalten, sieht es schon erheblich
schlechter
aus, wenn man nur die Lohnerhöhung in Betracht zieht:
Plus 6 % Lohnerhöhung
Bruttolohnerhöhung 180,-- DM 100,00
% 151,20 331,20
Summe
der Abzüge 91,05 DM 50,58 %
Nettolohnerhöhung 88,95
DM
49,42 % 26,86
%
4. Ergebnisse (in
verbalisierter Form):
4.1 Bruttolohn 3 000. -- DM
1.
Von einem Bruttolohn von 3 000.-- DM erhielt ein Erwerbstätiger 1992 mit der
Steuerklasse
1 einen Nettolohn von 1 935,27 DM ausgezahlt.
Das
sind 64,51 %! 35,49 % betragen seine Steuern und Abzüge.
2.
Dafür muss der Erwerbstätige auf seinem Arbeitsplatz wettbewerbsfähige Waren
und
Dienstleistungen in Höhe von 5 520,-- DM erwirtschaften.
3.
Die Lohnnebenkosten betragen 2 250, --DM, die sein Arbeitgeber über die Preise abwälzt.
4.
Von seiner (Brutto-) Wertschöpfung erhält der Arbeitnehmer nur einen kleinen
Teil
als Nettolohn ausgezahlt!
Es
sind nur 35,1 %! 64,9 % muss er mehr erwirtschaften!
(Die
Zahlenverhältnisse kehren sich also in etwa um!)
4.2 Bruttolohn
3 180.-- DM (durch einen Lohnerhöhung von 6%)
1. Von einem Bruttolohn
von 3 180.-- DM erhielt ein Erwerbstätiger 1992 mit der
Steuerklasse
1 einen Nettolohn von 2 024,22 DM ausgezahlt.
Das
sind 63,65 %! 36,35 % betragen seine Steuern und Abzüge.
2.
Dafür muss der Erwerbstätige auf seinem Arbeitsplatz wettbewerbsfähige Waren
und
Dienstleistungen in Höhe von 5 851,20 DM erwirtschaften.
3.
Die Lohnnebenkosten betragen 2 581,20 DM, die sein Arbeitgeber über die Preise
abwälzt.
4.
Von seiner (Brutto-) Wertschöpfung erhält der Arbeitnehmer nur einen kleinen
Teil
als Nettolohn ausgezahlt!
Es
sind nur 35,1%! 64,9 % muss er mehr erwirtschaften!
5.
Noch etwas ungünstiger sieht es für den Arbeitnehmer aus, wenn man folgende Werte
mit einander vergleicht.
5.1
Vor der Lohnerhöhung erhält der Arbeitnehmer noch gut 35 % des auf seinem Arbeitsplatz
erwirtschafteten Wertes
der Waren und Dienstleistungen, der sich auf
dem Markt Abnehmer findet.
5.2
Nach der Lohnerhöhung erhält der Arbeitnehmer nur noch etwas weniger als 35 %
des auf seinem Arbeitsplatz
erwirtschafteten Wertes der Waren
und Dienstleistungen, der sich auf dem Markt Abnehmer findet.
6. Was hier wie eine marginale
Verschlechterung aussieht, entbehrt in Wirklichkeit nicht einer gewissen
Dramatik!
Man
braucht dazu nur die Lohnerhöhung selbst betrachten!
4.3 Die
eigentliche Lohnerhöhung von 6 %
1.
Vor der eigentlichen 6 % igen Lohnerhöhung
erhält der Arbeitnehmer in diesem
Beispiel
weniger als die Hälfte des Bruttolohnzuwachses. Er erhält nur 49,42 %
Zum
Vergleich: Von seinem normalen Brutto erhält er immerhin noch 64,51 %!
2.
Der Arbeitnehmer muss eine zusätzliche Bruttowertschöpfung von 331,20 DM
erbringen.
3. Von seiner zusätzlich zu
erbringenden (Brutto-) Wertschöpfung erhält der
Arbeitnehmer
nur einen sehr kleinen Teil als Nettolohn ausgezahlt!
Er
erhält davon nur noch sage und schreibe 26,86 %!
4.4 Ergebnisse
zusammengefasst
4.4.1 Netto-Anteil vom Bruttolohn
(1)
Von dem Bruttolohn von 3 000.-- DM erhält der Arbeitnehmer netto: 64,51 %!
(2) Von dem Bruttolohn von 3
180.-- DM erhält der Arbeitnehmer netto: 63,65 %!
(3) Von dem Bruttolohnzuwachs von
180.-- DM erhält er nur noch netto: 49,42 %!
4.4.2 Bruttolohn und (Brutto-) Wertschöpfung
Für
einen bestimmten Bruttolohn muss der Arbeitnehmer wettbewerbsfähige
Waren
und
Dienstleistungen in bestimmter Höhe erwirtschaften.
(1) Für einen Bruttolohn von 3
000.-- DM beträgt die Wertschöpfung 5 520, -- DM.
(2)
Für einen Bruttolohn von 3 180.-- DM beträgt die Wertschöpfung 5 851,20
DM.
(3)
Für den Lohnzuwachs von 180.-- DM beträgt die Wertschöpfung 331,20 DM.
4.4.3 Anteil des Brutto-Lohns an der Brutto-Wertschöpfung
(1) Bruttolohn: 3 000.-- DM
Wertschöpfung 5 520, -- DM entspricht 54,35
%
(2) Bruttolohn: 3 180.--
DM Wertschöpfung 5 851,20 DM entspricht 54,35
%
(3) Lohnerh.
um 180.-- DM Wertschöpfung 331,20 DM entspricht 54,35 %
4.4.4 Netto-Anteil von der (Brutto-)Wertschöpfung
Von
seiner (Brutto-)Wertschöpfung, die einem Bruttolohn
(1)
von 5 520, -- DM (= Bruttolohn von 3 000. -- DM) erhält er netto: 35,06 %!
(2) von 5 851,20 DM (= Bruttolohn
von 3 180. -- DM) erhält er netto: 34,59
%!
(3)von 331,20 DM (= 6 % Lohnerh.
von 180, -- DM) erhält er netto: 26,86 %!
4.5 Lohnerhöhungen
nach jeder abgelaufenen Tarifzeit
1.
Nach jeder neuen Tarifrunde erhält der Arbeitnehmer von seiner Brutto-
Wertschöpfung
immer den gleichen Anteil als Brutto-Lohn. [4.4.3]
(Es
sind immer 54,35 %. Das ist so lange der Fall, wie sich die Lohn-Nebenkosten
nicht verändern!)
2.
Nach jeder neuen Tarifrunde erhält der Arbeitnehmer von seinem Brutto-Lohn
aber
einen immer kleineren Anteil als Netto-Lohn ausgezahlt. [4.4.1]
3.
Nach jeder neuen Tarifrunde erhält der Arbeitnehmer aber von jeder neu zu
erbringenden
zusätzlicher Bruttowertschöpfung einen als dramatisch zu
bewertenden
immer kleiner werdenden Anteil als Netto-Lohnzuwachs! [4.4.4]
In
dem Beispiel dieser Fallstudie sind es nur noch gut ein Viertel der zusätzlich
erbrachten Wertschöpfung. (26,86 %)
4.
Bei jeder weiteren Lohnerhöhung verschlechtert sich sein Anteil weiter.
5. Ausblick
1. Die Politik ist - ebenso wie die Tarifvertragsparteien – gefordert,
dieser Spirale, die einem Teufelskreis gleicht, ein Ende zu setzen.
2. Bisher hat die Politik in gewissen Zeitabständen versucht, durch steuerliche
Maßnahmen diese Teufelskreis ein wenig abzuschwächen.
3. Sie hat als geeignete Mittel die Erhöhung des Grundfreibetrages oder die Absenkung
des prozentualen Eingangssteuersatz verwendet.
4. Wann hört dieser Unsinn auf?