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Legalisierte
Willkür
- Herrschaftswissen in der Politik -
Gliederung
1. Die Eckwerte
2. Vernetzung
3. Arbeiten mit gefälschten Zahlen
4. Die politische Entscheidungen
5. Willkür bei der Beachtung von Rechtsprinzipien
6. Kann-Bestimmungen
Ausführungen
1. Die Eckwerte
Wie oft hört man die Verwendung des Wortes
„Eckpunkte“ oder „Eckwerte“.
„Zuerst
müssen die Eckwerte festgesetzt werden!“
„Die
Spitzen der Koalition haben sich auf die Eckwerte verständigt!“
Eckwerte
sind willkürliche Festlegungen.
Sie
begegnen uns überall.
Sie
begegnen uns gerade in den wichtigen Dingen.
Einige
Beispiele:
1.
Koalitionsvertrag
Es wurde im
Koalitionsvertrag vereinbart, dass nur noch 40 % aller neuen Gesetze vom
Bundesrat zustimmungspflichtig sein sollen statt
bisher
60 %!
2.
Gesundheitsreform
Bei der neuen
Gesundheitsreform wurde die Streichung der Zuschüsse zur Unfallversorgung von
100 Millionen wieder rückgängig gemacht.
Der
ursprünglich angesetzte Betrag von 500 Millionen Euro für die xyz wurde auf 250
Millionen Euro gekürzt.
3.
Beitragbemessungsgrenzen
Die Beitragbemessungsgrenzen
zu den staatlichen sozialen Sicherungssystemen werden teilweise willkürlich
festgelegt.
4.
Steuersätze oder Hebesätze
Die Festlegung von
Steuersätzen (oder von Hebesätzen bei der Grundsteuer) sind willkürliche Festlegungen.
Der
Finanzbedarf des Staates und die aktuelle Kassenlage in einem System und die
Machtverhältnisse in der Koalition werden als
Entscheidungskriterien herangezogen.
Meine
Bewertung als Meinungsäußerung:
1. Grundsätzlich ist jede Festlegung von
Zahlen eine willkürliche Festlegung!
2.
Von dieser Behauptung gibt es nur wenige Ausnahmen:
Wenn
man etwas gerecht unter den Betroffenen verteilen will und man hat
beispielsweise drei Personen,
so
erhält jeder ein Drittel des zu Verteilenden.
3.
Man kann also das Drittel zahlenmäßig festlegen oder man kann das Gleichheitsprinzip
zur Geltung bringen!
4.
Wer Eckwerte fordert, setzt Willkür über die sachgerechte Lösung.
5. Wer Eckwerte fordert, setzt
Willkür über Rechtsprinzipen, die sich über Jahrhunderte und Jahrtausende
bewehrt haben.
6. Wer Eckwerte fordert, bringt
damit zum Ausdruck, dass er sich nicht einmal an Rechtsprinzipien binden will.
7. Wer Eckwerte fordert, bringt
damit seine Hilflosigkeit oder seinen Unfähigkeit und dabei gleichzeitig seine Arroganz der Macht zum
Ausdruck.
8. Wer Eckwerten zustimmt, macht
sich um Erfüllungsgehilfen für verfehlte Politik.
Zusammengefasst:
Wer
Eckwerte zu seinem politischen Alltag macht, will einen Rechtsstaat, der von
Willkür geprägt ist.
2. Vernetzung
Oft werden einige Sachverhalte miteinander verknüpft.
Wenn
dies von der Sache her berechtigt ist, lässt sich nichts dagegen einwenden.
Einige
Beispiele
1.
Die Riester-Rente
Für die Riester-Rente wurden
34 andere Gesetze geändert.
Das
Altersvermögensgesetz (AVermG) besteht bis auf den letzten Artikel 35, der das
In-Kraft-Treten regelt,
nur
aus der Änderung anderer Gesetze!
2.
Eingliederung des Verfassungsschutzes in die Senatsinnenverwaltung in Berlin
3.
Die Sozialsysteme mit dem Steuersystem
o Etwa 80 Mrd Euro aus dem
Bundesetat fließen jährlich in die Sozialsysteme – vorwiegend in die
Rentenversicherung.
o
Dann wurden Teile der Steuereinnahmen aus der Tabaksteuer in die Gesetzliche
Krankenversicherung überwiesen und das später wieder
rückgängig
gemacht.
o Nun sollen die Gesetzlichen
Krankenversicherungen im nächsten Jahr 2008 um eine Milliarde zu erhöhen und
diesen Steuerzuschuss bis
2016
auf 14 Mrd Euro steigen zu lassen. Ursprünglich sollte der Zuschuss, der 2006
noch 4,2 Mrd Euro betragen hatte, in diesem Jahr
auf
2,5 Mrd Euroabgeschmolzen werden und 2008 auf 1,5 Mrd Euro sinken.
Nun
soll er 2008 bei 2,5 Mrd Euro konstant
gehalten
werden.
(Quelle:
„Krankenkassen gekommen mehr Geld vom Bund“,
Handelsblatt
vom 31. Januar 2007)
3. Arbeiten mit
gefälschten Zahlen
Das Fälschen von Zahlen ist uralt.
Alt
ist auch der Spruch: „Ich glaube nur an die Statistik, die ich selbst gefälscht
habe!“
Trotze
aller Aufgeklärtheit setzt sich das Fälschen von Zahlen mit immer
raffinierteren Methoden fort.
Einige Beispiele:
1.
Gefälschte Zahlen im Bundes-Etat
o Als Investitionen werden Ausgaben verbucht, die keine sind.
Es werden
Ausgaben als Investitionen ausgewiesen, die nach allgemeiner Definition gar
keine sind.
Die
Investitionen des Staates sind wichtig für die Schuldenobergrenze.
Nach
dem Grundgesetz dürfen die öffentlichen neuen Schulden nur so hoch sein wie die
Investitionen. (Art. 115; GG)
Der
Staatshaushalt weist Investitionen in Höhe von 23,5 Mrd Euro aus, aber
tatsächlich sind es nur etwa 6,7 Mrd Euro.
(Quelle:
„Mehr Schulden als erlaubt“
Der
Steuerzahler, Heft Oktober 2006, Seite 194)
o
Ausgaben werden als verminderte Einnahmen verbucht
Die Politiker verbuchen Zuwendungen an die
Unternehmen als verminderte Einnahmen.
Beispiele: Investitionszulagen, Steuerermäßigungen,
Finanzhilfen des Staates und Investitionsbeihilfen
Diese
müssten eigentlich als Ausgaben verbucht werden und nicht als verminderte Einnahmen.
o
Der Sinn dieser falschen Verbuchung/Tricks:
1.
Die Bundesetat erscheint so geringer als er eigentlich ist.
Der
Bundesetat wird also dadurch nicht so groß wie er eigentlich ist und wird so reduziert.
2.
Die Staatsquote erscheint geringer als sie in Wahrheit tatsächlich ist.
Das senkt also die offizielle Staatsquote.
Damit
werden also die Haushalts-Summen verringert und die Einhaltung der vorgegebenen
Haushaltskriterien leichter erfüllt.
Das
Grundgesetz gibt vor, dass die Netto-Neuverschuldung nicht höher sein darf als
die Investitionen. (Art. 115; GG)
Die
Maastricht-Kriterien geben vor, dass die Verschuldung (Netto-Neuverschuldung)
nicht höher als 3 % und der gesamte
Verschuldungsgrad
nicht höher als 60 % des BIP betragen darf.
Solche
falschen Verbuchungen vermindern also den Staatshaushalt und lassen den
Staatsanteil an der Volkwirtschaft kleiner
erscheinen
als er in Wirklichkeit ist.
Man will also Strafen, die Brüssel verhängen könnte, von vorn herein
vermeiden!
2.
Gefälschte Zahlen in der Arbeitslosenstatistik
Hier drei allgemeine Fehler,
die die Arbeitslosenstatistik verfälschen:
o
Wer über 55 Jahre alt ist, gilt als nicht vermittelbar und fällt aus der
Arbeitslosenstatistik heraus.
o
Wer sich für eine Weiterbildungsmaßnahme angemeldet hat, fällt aus der
Arbeitslosenstatistik heraus, bevor die Weiterbildungsmaßnahme
überhaupt
angefangen hat.
Dadurch
wird ein Anreiz geschaffen, Weiterbildungsmaßnahmen anzubieten, selbst wenn
diese die Vermittlungschancen nicht unbedingt
oder
zumindest nicht wesentlich erhöhen.
o
Wer sich als Arbeitsloser selbständig macht, erhält insgesamt 14 440 Euro aus
Steuergeldern.
Dadurch
wird ein Anreiz geschaffen, dieses Geld mitzunehmen, weil man sonst z.B. von
der Bank kein Geld erhält, weil man eben nicht
kreditwürdig
ist.
3.
Gefälschte Zahlen bei der Staatsquote
Die tatsächliche Staatsquote
ist wesentlich höher als die offizielle Staatsquote.
Sie
liegt nach meinen Berechnungen nicht bei 50 % sondern bei etwa 100 %.
[Ich
verweise auf die Ausarbeitung aus der Reihe „Falsche Begriffe und Zahlen“ unter
der Überschrift „Die wahre Staatsquote“.
Sie
ist 17 Seiten lang. Davon gibt es eine kürzere Fassung mit gleichem Titel, die
14 Seiten lang.
Es
gibt außerdem eine ausführlichere Ausarbeitung „5. Die Staatsquote (Falsche
Begriffe)“ Sie ist allerdings 29 Seiten lang.
Die
ausführlichste Fassung unter dem Titel „Falsche Begriffe (X. Staatsquote)“ist
34 Seiten lang. ]
Meine Bewertung als Meinungsäußerung:
1.Noch
nie ist es gelungen, auf Grund von falschen Zahlen die richtigen Entscheidungen
zu treffen. Man kann drei Fälle unterscheiden:
o Entweder man fällt die
Entscheidungen auf Grund der geschönten (also gefälschten) Zahlen, dann sind
die Entscheidungen und Maßnahmen
zu
schwach und können nicht die erforderliche Wirkung bringen.
o
Oder man fällt die Entscheidungen auf Grund der geheimen ungeschönten (nicht
gefälschten) Zahlen, dann lassen sich die Entscheidungen
und
Maßnahmen nicht oder nur sehr schwer durchsetzen, weil man sie für
Überreaktionen hält.
(„Mit
Kanonen schießt man nicht auf Spatzen!“)
o
Selbst ein Mittelweg kann nicht zum Erfolg führen!
4. Die politische
Entscheidungen
Grundsätzlich müssten alle Entscheidungen der
Politiker immer politische Entscheidungen sein, es sei denn, sie sind gerade
privat.
Einige Beispiele:
1.
Die Minister-Erlaubnis
Es
gibt z.B. die Ministererlaubnis bei Fusionen und Übernahmen.
Wenn
das Parlament eine Entscheidung getroffen hat, kann sich der in dieser Sache
zuständige Bundesminister über diese Entscheidung
hinwegsetzen.
Die sogenannten „Ministererlaubnisse“ sind unsinnig und systemwidrig!
Die
Politiker können es ja anders regeln:
Der
Minister bittet das Parlament, ein anderes Gesetz zu machen!
Dann
kann z.B. die Regulierungsbehörde oder die Wettbewerbsbehörde oder das
Bundesaufsichtsamt anders entscheiden!
Jede
Ministererlaubnis ist trotz der proklamierten Entscheidung nach pflichtgemäßen
Ermessen nicht weiter ist als eine gesetzwidrige und
willkürliche
Entscheidung.
Man kann nicht von Bürgern
gesetzestreues Verhalten verlangen, wenn auf höchster Ebene Ausnahmen von geltenden
Regeln zugelassen
werden
(Ministererlaubnis), Gesetze gebrochen oder feinsinnig umgangen werden.
Nach
der so genannten Ministererlaubnis kann das Wirtschaftsministerium eine
Entscheidung der Kartellbehörde aufheben!
Schon
durch diese Tatsache ist die Behörde ein zahnloser Tiger, weil sie nur
Entscheidungen durchsetzen kann, die das Wirtschaftsministerium
genehm
sind. (Der so genannte vorauseilende Gehorsam ist wirksam!)
Es
gibt für die Unternehmen der Telekommunikation eine so genannte
Regulierungsbehörde. (Chef: Mathias Kurth)
Deren
Kompetenzen sollen erweitert werden, so dass diese Behörde ab 2005 auch für den
Energiemarkt zuständig sein soll.
2.
Die „normalen“ Äußerungen von Spitzenpolitikern
„Dafür brauchen wir eine
Grundsatzentscheidung von höchster Stelle!“
„Das muss politisch
entschieden werden!“
„Hier
muss eine politische Entscheidung getroffen werden!“
„Das
werden wir sehr genau beobachten und dann eine politische Entscheidung
treffen!“
„Gerade
dies muss unbedingt politisch entschieden werden!“
„Das
nehme ich persönlich sehr ernst und am Ende muss eine politische Entscheidung
getroffen werden!“
Bestehende Gesetze reichen
also offensichtlich nicht aus, um dies oder jenes zu entscheiden.
Oder
aber :
Die
Politiker kümmern sich nicht um die Rechtslage und schaffen eine
Ministererlaubnis!
Oder
aber.
Die
Politiker schaffen für diesen Sonderfall ein neues Gesetz.
Die
Politiker orientieren sich dabei an dem, was politisch geboten ist!
Parteiideologie
und Willkür sind damit Tür und Tor geöffnet!
Prinzipien
des Rechts kümmern sie dabei wenig!
Viele
sind der Ansicht:
Besondere
Situationen erfordern eben besondere Maßnahmen!
Meine Bewertung als Meinungsäußerung:
Alle diese Entscheidungen sagen aus:
1.
Die hochrangigen Politiker wollen sich nicht an Recht und Gesetz halten und
wollen mit Hilfe von legalisierten Sondergesetzen nicht die üblichen
Entscheidungen
fällen.
2.
Sie wollen Freiräume haben und beanspruchen sie auch und nutzen sie auch.
3.
Sie wollen über den normalen Gesetzen stehen.
4.
Sie wollen die Legislative ausklammern.
5.
Sie wollen sich über die Gewaltenteilung hinwegsetzen.
6.
Sie unterscheiden sich dann nicht von einem Diktator!
5. Willkür bei
der Beachtung von Rechtsprinzipien
Einige Beispiele:
1.
Steuerrecht
Die
verschiedenen Einkommensarten werden unterschiedlich besteuert:
Lohn und Einkommen aus unselbständiger Arbeit wird anders besteuert
als das Einkommen aus Kapitalerträgen (Dividenden und
Zinserträge)
Erfindervergütungen
werden wieder anders besteuert.
Einnahmen
aus Mieten werden wieder anders besteuert.
Nun
ist die Erbschaftssteuer problematisiert worden:
Erbschaften die
z.B. in Grundbesitz bestehen, wurden anders (niedriger) besteuert als
Barvermögen oder Aktienvermögen.
Das
(eventuell vorgeschobene) Argument: Der Gleichheitsgrundsatz wird missachtet.
Nach
dem Gleichheitsgrundsatz muss Gleiches gleich, aber Unterschiedliches
verschieden behandelt werden!
2.
Die Sozialsysteme
Bei der
Gesetzlichen Krankenversicherung gilt wie bei der staatlichen
Rentenversicherung auf der Einnahmeseite u.a. das
Gleichheitsprinzip:
Jeder bezahlt (im Prinzip) den gleichen Prozentsatz.
Auch
die ärztlichen Leistungen sind für alle gleich:
Das
gilt unabhängig von der Höhe der tatsächlich gezahlten Beiträge in Euro.
Jeder
sozialversicherungspflichtige Erwerbstätige bezahlt zwar (im Prinzip) den
gleichen Prozentsatz, aber je nach
sozialversicherungspflichtigem
Bruttoeinkommen unterschiedlich hohe Beiträge!
Die
unterschiedlichen hohen Beträge der Beiträge führen hier nicht zu
unterschiedlichen Auswirkungen.
Das
(wahrscheinlich vorgeschobene) Argument: Das sei sozial!
Dieser
gleiche Prozentsatz hat aber in beiden Sozialsystemen unterschiedliche
Auswirkungen:
Bei
der Rentenversicherung herrscht auf der Einnahmeseite das Gleichheitsprinzip:
Alle
sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen bezahlen zwar immer den gleichen
Prozentsatz, aber je nach
sozialversicherungspflichtigem
Bruttoeinkommen unterschiedlich hohe Beiträge!
Hier
haben die unterschiedlichen Beträge der Beiträge aber unterschiedliche
Auswirkungen:
Derjenige,
der relativ viel verdient hat, erhält auch einen relativ dazu höhere Rente.
Meine
Bewertung als Meinungsäußerung:
Zu
1 Steuerrecht:
Damit dient das
Steuerrecht nicht mehr ausschließlich der Finanzierung der Aufgaben des Staates
sondern an deren Zielen.
Die
Politiker bewerten die Einkunftsarten danach was gut, besser oder schlecht ist.
Damit erheben sie sich zur moralischen Instanz über
den
Bürger!
Eigentlich
müssten alle Einkunftsarten gleich besteuert werden. Es kommt den Politikern
nicht zu, sich als moralische Instanz
aufzuspielen
und dafür den Staat für ihre Interessen und Vorstellungen vorzuschieben.
Zu 2. Die Sozialsysteme:
Der gleiche
Prozentsatz bei unterschiedlichen sozialversicherungspflichtigen Einkommen
führt zu unterschiedlichen Leistungen in zwei
staatlichen
Sozialsystemen.
Allgemein:
Rechtsprinzipien,
die sich in vielen unterschiedlichen Situationen in vielen Staaten und Kulturen
über Jahrhunderten ja über
Jahrtausenden
hinweg bewehrt haben, werden je nach Gutdünken beachtet oder nicht beachtet.