Jochen Olbrich
07.12.2004
Reformen
3. Die beiden Hauptprobleme bei jeder
Reform
1. Es gibt ein grundlegendes Doppelproblem:
Jede Reform hat
unanhängig von Inhalt der Reform zwei nicht zu unterschätzende grundlegende
Probleme:
Diese
zwei Probleme treten bei jeder Veränderung auf!
Sie
hängen mit dem Vermögen oder der Kompetenz zur Veränderung der Macht zusammen.
In
jeder Demokratie gibt es immer zwei Möglichkeiten:
o
entweder die Veränderung durch die Regierung oder durch die Zusammenarbeit mit
der Regierung
o
oder die Veränderung durch die Opposition oder die Zusammenarbeit mit der Opposition.
Bei der Lösung der Problematik der Reformen
gibt es also ein grundlegendes Problem.
Es
ist ein doppeltes oder zweifaches Problem.
Beide
Probleme sind miteinander eng verzahnt.
Davon
handeln die beiden ersten Thesen.
Die
lauten:
o Diejenigen, die an der
Macht sind (Regierung), wollen keine Reformen.
o
Diejenigen, die in der Opposition sind, können keine Reform in Gang setzen,
weil sie nicht die Macht dazu haben.
2. Die Veränderung durch die Regierung
Diejenigen,
die an der Macht sind, haben kein Interesse irgend etwas grundlegend zu ändern.
Sie wollen nichts ändern.
Sie
waren ja mit diesen Verhaltensmustern, den von ihnen geschaffenen
Institutionen, Regeln und Mechanismen erfolgreich.
Warum
soll man aber etwas ändern , das erfolgreich war?
Wer aber erfolgreich ist, ändert
nichts.
Warum
soll jemand, der erfolgreich war, seinen Erfolg (mit irgendwelchen Experimenten)
aufs Spiel setzen?
Sie
haben ja ihr Ziel erreicht!
Sie
haben die Macht!
Und sie können neue überraschend
auftretende Probleme lösen.
Da
dürfen dann höchstens mal ein paar Kleinigkeiten geändert werden.
Schließlich
gab es kleinerer Unstimmigkeiten, Reibungsverluste und auch kleinere Fehler!
Aber die große Richtung stimmte natürlich!
3. Die Veränderung durch die Opposition
Diejenigen, die nicht erfolgreich waren -
also in der Opposition sind - haben kaum dieMacht etwas zu verändern.
Die
Repräsentanten der Opposition - haben kaum die Macht, etwas zu verändern.
Ihnen
fehlt die gesetzgebende Kompetenz, ihr fehlt auch der Apparat, das neue umzusetzen!
Ihnen
fehlen mindestens zwei entscheidende Dinge:
-
die gesetzgebende Kompetenz und
-
auch der Apparat, das neue umzusetzen!
Als
einleuchtenden und entscheidenden Hinweis kann man sich mal die Anzahl der Gesetze,
die die Opposition im Bundestag eingebracht hat
im
Verhältnis zu der Zahl die von der die Regierung tragenden Parteien eingebracht
worden sind, ansehen.
Selbst
wenn man die über den Bundesrat eingebachten Anzahl von Gesetzen hinzuzählt -
es sind immer verschwindend wenige Gesetze.
Von
den auf Oppositionsinitiative fußenden Gesetzen waren in den ersten 10 Wahlperioden
(also in dem Zeitraum von 1949 bis 1987)
insgesamt
314 Gesetzentwürfe erfolgreich.
Von
diesen 314 Gesetzen waren 179 Gesetze direkt erfolgreiche Gesetzentwürfe der Opposition.
Die Opposition hat also diese Gesetzentwürfe
eingebracht.
(direkt erfolgreiche oppositionelle Gesetzentwürfe)
Bei
weiteren 135 Gesetzentwürfen hat zwar die Opposition ein bestimmtes Problem zuerst
thematisiert; es wurde aber von den Regierungs-
parteien
aufgegriffen und als Regierungsentwurf beschlossen. (indirekte erfolgreiche
Gesetzentwürfe)
Setzt
man nun diese Zahl ins Verhältnis zu den im gleichen Zeitraum insgesamt verabschiedeten
Gesetzen von 4020, so ergibt das ein
Verhältnis
von 314 zu 4020 oder von 0,078 der 7,8 %.
Man
kann also unschwer erkennen, dass es die Opposition ungleich schwerer hat, durch
Gesetze die Gesellschaft zu gestalten als die die
Regierung
tragenden Parteien.
[Quelle
:
„Datenhandbuch
zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999“,
Band
II, Abschnitt 12 Kontrolltätigkeiten, Unterabschnitt 12.4 Oppositionelles Verhalten,
„Erfolgreiche Gesetzesinitiativen der Opposition: Statistik“,
Seite
2 765]
4.
Selbst nach Wahlen gibt es keine Reformen.
Selbst nach gerade durchgeführten Wahlen
sieht es selten besser aus:
Dabei ist es völlig egal wer die
Wahlen gewinnt.
Die
meisten Wähler der erfolgreichen Partei(en) haben noch die Hoffung, dass sich noch
etwas zum Guten wenden wird.
Aber
sie werden in der Regel bald enttäuscht sein.
5.
Zwei Fälle nach den Wahlen
Man kann hier
die beiden Fälle unterscheiden:
-
Die bisherige Regierungskoalition wurde bestätigt oder Sie wird abgelöst.
5.1 Die bisherige
Regierungskoalition wurde bestätigt
In diesem ersten Fall wird etwa so
argumentiert:
„Die
Wähler haben diese unsere bewährte Politik bestätigt!
Der
Erfolg gibt uns recht!“
Das gilt auch für den Fall, dass
sie gerade wiedergewählt worden sind.
Sie
wurden ja in ihrer geleisteten Arbeit bestätigt.
Diese
Einstellung verstärkt sich, je länger sie bereits an der Macht sind!
Sie
können behaupten:
„Sehen
Sie, die Wähler haben diese unsere Politik bestätigt!
„Wir
sind auf dem richtigen Weg!“
„Der
Erfolg gibt uns recht!“
Wahlen
gewinnen bedeutet also im Regelfall,
o
nichts (Wesentliches) ändern zu müssen!
o
kaum noch Veränderungen anzustreben!
o
keine Reformen anpacken, die diesen Namen auch verdienen!
Man tauscht nur wenige Personen (Minister und
Staatssekretäre) aus - was das Problem noch verschärft.
5.1 Die bisherige
Regierungskoalition wurde abgelöst und durch die bisherige
Opposition
ersetzt
Im diesem Fall wird etwa so argumentiert:
„Die
Wähler haben die an der Regierung befindlichen Parteien abgewählt und uns ihr
Vertrauen geben.
Aber
leider lässt sich dieses oder jenes in
der jetzigen Situation [Weltlage, hoher Ölpreis, lahmende US-Konjunktur (oder
was auch immer)
nicht
durchsetzen!
Wir
sind aber trotzdem auf dem richtigen Weg!“
Wahlen
gewinnen, bedeutet also in der Regel, nichts (Wesentliches) ändern zu müssen!
Wahlen
gewinnen, bedeutet kaum noch Veränderungen anzustreben!
Wahlen
gewinnen, bedeutet keine Reformen anpacken zu müssen, die diesen Namen auch
verdienen!