Jochen Olbrich
12.11..2003
Allgemeines/Sachthemen -
Falsche Begriffe
9. Soziale Gerechtigkeit
und
Steuergerechtigkeit
5. Fassung
Falsche
Begriffe
9. Soziale Gerechtigkeit und
Steuergerechtigkeit
3. Soziale
Gerechtigkeit und Steuergerechtigkeit,
leistungsabhängige
Steuergerechtigkeit
1. Die Steuergerechtigkeit:
Dieser
Begriff erscheint zunächst wenig griffig und kaum für die
Praxis
geeignet.
Er
ähnelt dabei dem Begriff der „sozialen Gerechtigkeit“!
Viele
benutzen diesen Begriff, kaum jemand macht sich die Mühe,
ihn
inhaltlich festzulegen.
Niemand
kann sich gegen soziale Gerechtigkeit als höchstes
anzustrebendes
Ziel auf Erden stellen, ohne sich von vorn herein
in
jeder Beziehung ins Abseits zu stellen!
Damit trägt es
wenig zur Klärung von Sachverhalten bei, sondern
wird
vielmehr zum Totschlaginstrument!
Ähnlich
verhält es sich bei dem Begriff „Steuergerechtigkeit“; hat
doch
jeder seine eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit - gerade
bei
dem Bereich Steuern und Abgaben.
Nun
hat man eine Einteilung des Begriffs „Steuergerechtigkeit“
vorgenommen
das Steuerprinzip der „Steuergerechtigkeit“ in eine
„horizontale
Steuergerechtigkeit“ und eine „vertikale Steuer-
gerechtigkeit“
eingeteilt.
Diese
Unterscheidung brachte quasi als wünschenswerten und
positiven
Nebeneffekt eine inhaltliche Festlegung und Abgrenzung.
Sehen
wir uns an, was man darunter zu verstehen hat, und nehmen
dann
dazu Stellung.
1.1 Die horizontale Steuergerechtigkeit:
Darunter
versteht man die Gleichheit der Besteuerung bei gleichem
Einkommen.
(Damit
entpuppt sich das Prinzip der horizontalen Steuergerech-
tigkeit
als steuerliche Ausgestaltung des allgemeinen Prinzips des
Gleichheitsprinzips!)
Danach
muss Gleiches auch gleich und Unterschiedliches auch
verschieden
behandelt werden!
1.2 Die vertikale Steuergerechtigkeit:
Darunter
versteht man die Besteuerung nach der steuerlichen
Leistungsfähigkeit
im Vergleich zu anderen Personen oder
Gruppen.
Damit
entpuppt sich die vertikale Steuergerechtigkeit als steuer-
liche
Ausgestaltung des allgemeineren Prinzips der Leistungs-
gerechtigkeit.
Dieses
allgemeine Prinzip lässt sich nicht nur auf die Steuer,
sondern
sehr vielseitig anwendenden:
Danach
erhält derjenige mehr Lohn, der mehr leistet!
Derjenige
Beamte wird befördert, der mehr leistet.
Warum
soll derjenige nicht mehr Steuern zahlen, der eine
höhere
steuerliche Leistungsfähigkeit besitzt, der also nach
Abzug
der Steuern immer noch mehr besitzt, als ein
anderer.
2.
Leistungsgerechtigkeit (Prinzip der leistungsgerechten Besteuerung):
Darunter
versteht man allgemein die Inhalte, die eben unter dem
Begriff
„vertikaler Steuergerechtigkeit“ dargestellt worden sind.
Starke
Schultern müssen mehr belast werden als schwache
Schultern.
Derjenige,
der ein hohes Einkommen hat, muss mehr für die
Gemeinschaftsaufgaben
beitragen, als einer, der weiniger verdient.
Schauen
wir uns dieses Prinzip in seinen Auswirkungen noch etwas
genauer
an. Der Teufel liegt bekanntlich oft im Detail!
Soll
das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit gleiche absolute Beträge
bedeuten
oder gleiche Prozentsätze?
Dazu
zwei konkrete Beispiele:
(1)
gleiche Beträge:
Jeder Bürger zahlt die selben Beträge:
400 €
verfügbares
Einkommen Steuern; verbleib.
Einkommen
2 000 € 400
€ 1 600 €
20
000 € 400 € 19 600 €
(2)
gleiche Prozentsätze:
Jeder Bürger bezahlt den selben
Prozentsatz von z.B. 20 %.
verfügbares
Einkommen Steuern; verbleib.
Einkommen
2 000 € 400 € 1 600 €
20
000 € 8 000 € 12 000 €
Man
hat den begründbaren Eindruck, dass eine Besteuerung nach
gleichen
Prozentsätzen „gerechter“ ist.
Anmerkungen:
o
Nicht berücksichtigt worden ist in beiden Fällen das
steuerfreie Existenzminimum von etwa 500 €
im Monat.
o
Außerdem ist die sogenannte „Steuerprogression“ nicht
berücksichtigt. Danach steigt der
Steuersatz mit dem
steigendem Einkommen an.
Es gibt Vorschläge mit einem linearen
kontinuierlichen
Anstieg und andere Vorschlägen mit einem
„Bauch“ - also
mit zunehmendem Steuersatz je höher das
Einkommen ist.
Bei der
Diskussion um die Steuergerechtigkeit wird bei der jetzt
gültigen
Progression oft quasi von hinten - also vom Ergebnis her –
argumentiert:
Gerade
bei einer geplanten Steuer-Senkung wird diese Argumenta-
tion
verwendet. Bei jeder geplanten Steuersenkung macht man,
besonders
wenn es um den relativ einfachen Begriff des Spitzen-
steuersatzes
geht, eine einfache und überzeugende Rechnung auf.
Man
vergleicht dabei die durch die Steuersenkung erzielte
Ersparnis
(Steuerersparnis) eines sehr gut verdienenden Spitzen-
verdieners
mit der Ersparnis (Steuerersparnis) eines weniger gut
verdienen
Erwerbstätigen.
Konkret:
Wenn
man den Spitzensteuersatz beispielsweise um 6 % (von 53 %
auf
47 %) senkt, ergeben sich je nach Bruttoeinkommen sehr
unterschiedliche
Einsparbeträge.
Konkrete
Zahlen:
-
Ein Gutverdienender mit einem jährlichen Bruttoein-
kommen von 100 000 € erhält dann eine
Ersparnis von
6 000 €.
-
Ein Erwerbstätiger mit einem mittelmäßigem jährlichen
Bruttoeinkommen von 30 000 € braucht dann
in Zukunft
1 800 € weniger an den Fiskus zu zahlen.
-
Ein Geringverdiener mit einem Bruttoeinkommen von
15 000 € zahlt in Zukunft nur 300 € weniger
als vor der
Reform.
Das
Ergebnis:
Der
sowieso schon „reiche“ Bürger „erhält“ viel mehr als
der
„arme“ Bürger!
Die
Neiddebatte erhält neue Nahrung!
Außerdem
enthält die Darstellung eine Fehler!
So
einfach, wie in der Rechnung dargestellt, ist es nicht!
Die
Progression des Steuersatzes ist daran schuld!
Festlegung
des Begriffes Progression:
Unter
Progression versteht man allgemein die Steigerung
oder
die stufenweise Steigerung.
Bei
der progressiven Steuer handelt es sich um die Verände-
rung
eines bestimmten Steuersatzes (Prozentsatzes), wobei
ein
genau festgelegtes Anfangseinkommen (das Existenz-
minimum)
steuerfrei bleibt.
Vorschläge
zur Einkommenssteuer:
Für
die Besteuerung des Einkommens gab schon immer viele
Vorschläge.
Die
Vorschläge unterscheiden sich im wesentlichen in der
linearen
Steigerung des Prozentsatzes (mit einem gleich-
mäßigen
Anstieg der Prozentsätze oder in einem stufen-
weisen
Anstieg der Steuersätze (mit meist drei Stufen, die
eine
kleine Treppe darstellen).
Das
Stufenmodell wird deshalb oft kritisiert, weil es nun
etwas
kompliziert wird und man nun einen „Eingangs-
steuersatz“,
einen „Grenzsteuersatz“ und einen „Spitzen-
steuersatz“
hat.
Weitere
Informationen:
1.
Von den in Deutschland etwa 40 existierenden Steuerarten
ist die Einkommenssteuer m.W. die einzige Steuerart,
die
eine Progression hat.
2.
Ein quasi „umgekehrter Tatbestand“ liegt bei der soge-
nannten „degressiven“ Abschreibung im
Gegensatz zur
„linearen“ Abschreibung vor.
3.
Die Steuern auf den Lohn (Lohnsteuer) und die Steuern
auf das Einkommen (veranlagte
Einkommenssteuer)
machen insgesamt fast die Hälfte der
gesamten
Steuereinnahmen aus.
4.
Deshalb gerät die Einkommensteuer immer wieder in die
Diskussion.
Konkrete
Zahlen über die Einkommenssteuer:
Im
Jahre 2000 sah es so aus:
Lohnsteuer
betrug etwa 265 Mrd. DM
Veranlagte
Einkommenst. etwa 24 Mrd. DM
zusammen
also etwa 290 Mrd.
DM
Im
Jahre 2001 sah es so aus:
Lohnsteuer
betrug etwa 262 Mrd. DM
Veranlagte
Einkommenst. etwa 21 Mrd. DM
zusammen
also etwa 283 Mrd.
DM
Sie
sehen, dass die oben angegebenen Zahlen in der Größen-
ordnung
stimmen!
Bewertung:
Das
eigentümliche an der Neiddebatte ist die Ausblendung der
tatsächlich
gezahlten Steuer also für die Gemeinschaft:
-
Der Gutverdienender zahlte rund 50
000 € !
-
Der mittelmäßige Verdiener zahlte rund 10 000 € !
-
Der Geringverdiener zahlte rund 6 000 € !
o
Ist damit nicht das Ziel einer Besteuerung nach der
steuerlichen Leistungsfähigkeit erreicht?
o
Ist damit das Ziel nach einer Besteuerung nach der steuerlichen
Leistungsfähigkeit nicht sogar (weit)
überschritten?
-
Zahlt doch der Gutverdienende 10 mal soviel wie
ein
Geringverdiener.
-
Teilt doch der Gutverdienende sein Einkommen
„brüderlich“ mit dem Staat, in dem er ihm
die Hälfte
seines Einkommens „überlässt“!
Warum die
Steuer auf das Einkommen die einzige Steuer ist, die
progressiv
verläuft, ist zu hinterfragen.
Der Vorschlag:
Die
Einkommenssteuer muss also in Zukunft so aussehen:
Ein
bestimmter Prozentsatz von z.B. 20 % ist von jedem
Euro
über dem Existenzminimum als Einkommensteuer zu
zu
zahlen. Dieser Prozentsatz ist festgeschrieben; er gilt
unabhängig
von der Höhe des Einkommens.
Es
gibt keine Progression, keinen linearer Anstieg des
Prozentsatzes,
keinen Grenzsteuersatz und keinen
Spitzensteuersatz
mehr.
Es
gibt nur noch 20 % Einkommensteuer!
Kommen
wir auf unsere drei fiktiven höchst
unterschiedlichen
Einkommensbezieher zurück:
-
Ein Gutverdienender mit einem jährlichen Bruttoein-
kommen von 100 000 € zahlte dann erhält
dann eine
Einkommensteuer von (fast) 20 000 €.
-
Ein Erwerbstätiger mit einem mittelmäßigem jährlichen
Bruttoeinkommen von 30 000 € zahlte dann in
Zukunft
eine Einkommensteuer von (fast) 6 000 €. an
den Fiskus.
-
Ein Geringverdiener mit einem Bruttoeinkommen von
15 000 € zahlt in Zukunft nur (fast) 3 000
€ an den Fiskus.
Als
Vorher-Nachher-Vergleich:
Einkommen Vorher Nachher
Gutverdienender 100 000 € 50
000 € 20 000 €
mittelmäßiges
Eink.
30 000 € 10 000 € 6 000 €
Geringverdiener
15 000 € 6 000 €
3 000 €
Anmerkungen:
1.
Sollten die Steuereinnahmen aus der Einkommensteuer wider
Erwarten bei diesem niedrigen Steuersatz
von 20 % (beginnend
nach dem steuerfreien Existenzminimum)
trotz Berücksichtigung
der nicht mehr möglichen
Abschreibungsmöglichkeiten und der
Anrechnung der Pauschbeträge, so müsste
man den Steuersatz
kurzfristig und für eine begrenzte
Zeitspanne entsprechend
erhöhen. (vielleicht auf 25 % )
2.
Die Lohn- und Einkommensteuer muss sogar noch mehr einbrin-
gen als früher, weil ja andere Steuerarten
weggefallen sind und
damit die Steuereinnahmen geringer
ausfallen.