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Falsche Begriffe

4. Erwerbstätige und Erwerbspersonen

 

Die Anzahl der Erwerbstätigen ist - so könnte man glauben - eigentlich eine festlegbare und eindeutig bestimmbare Zahl!
Dem ist leider nicht so!

1. Verschiedene Zahlen:
      Es gibt die unterschiedlichsten Zahlen. Nehmen wir zwei extrem auseinanderliegende Zahlen:
            1. Erwerbstätige: 26,5 Mio Menschen (1997)
                (Quelle: (c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2001

            2. Erwerbstätige: 38,075 Mio. Menschen
 
               (Quelle: „Vom Aufschwung kann man nicht sprechen“, (Das Herbstgutachten der Forschungsinstitute), Handelsblatt vom 22.10.2003)

2. Merkwürdigkeit:
      Der Brockhaus nennt keine Zahl für Deutschland!
      Er verwendet den definierten Begriff, nennt aber nicht die Gesamtzahl der
      Erwerbstätigen in Deutschland zu irgend einem Zeitpunkt.
      Im Brockhaus kann man lesen:
            1. In Deutschland sind mit (1997) 928 000 Personen nur noch 3,5 % aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt, davon 714 000 im früheren Bundesgebiet
                 und 214 000 in den neuen Bundesländern.
            2. Im stark wachsenden Dienstleistungssektor sind heute zwei Drittel aller Erwerbstätigen beschäftigt; sein Beitrag zur Bruttowertschöpfung liegt bei 68 % (1998).
                Der Wirtschaftszweig Tourismus beschäftigt etwa 2 Mio. Menschen.
            (Quelle: „Deutschland“, c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2001 )

 

3. Die offene und wichtigste Frage:
    
Die offene und wichtigste Frage lautet wohl:
      Wie sind solche gewaltigen Unterschiede zu erklären?
      Versuchen wir eine Antwort zu finden!

3. Definitionen:
3.1 Definition (1) laut Brockhaus
:
      Personen, die in einem festen Arbeitsverhältnis stehen (auch Soldaten, mithelfende Familienangehörende), selbständig ein Gewerbe betreiben oder einen
      freien Beruf ausüben.
      (Quelle: „Erwerbstätige“,
(c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2001

3.2 Definition (2) laut Duden-Lexikon:
      Erwerbspersonen“ ist ein Begriff der amtlichen Statistik. Er umfasst in der undesrepublik alle Personen mit Wohnsitz im Bundesgebiet, die eine unmittel-
      bar oder mittelbar auf Erwerb gerichtete Tätigkeit auszuüben pflegen.
      Die Gruppe der E. setzt sich zusammen aus den Erwerbstätigen (einen Beruf zu Erwerbszwecken Ausübende, sowie mithelfende Familienangehörige) und den
      Erwerbslosen (zeitweilig Arbeitslose und Schulabgänger, die noch keine Erwerbstätigkeit aufgenommen haben).
     
(Quelle: „Erwerbspersonen“, Das neue Duden-Lexikon; Band 3 ; Seite 1 055)

 

4. Meine Interpretationen:
      1. Aus der 2. Definitionen wird deutlich, dass Erwerbspersonen nicht unbedingt diejenigen Personen sind, die tatsächlich arbeiten, sondern alle diejenigen, die dem
          Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
      2. Wenn alle arbeitslos sind, hat man nach dieser Definition 38 Mio. Erwerbstätige!

5. Anmerkung:
      1. Dieses Definitionsmuster findet man auch bei der Definition des Begriffes „Erwerbsquote“ wieder:
        Unter der Erwerbsquote versteht man den volkswirtschaftlichen Beschäftigungs grad.
      In der Bevölkerungsstatistik versteht man darunter den Anteil der Erwerbsfähigen (= alle Personen im Alter von 15 bis 65 Jahren) an der Gesamtbevölkerung.
      In der Berufsstatistik versteht man darunter den Anteil der Erwerbspersonen an der Wohnbevölkerung.
               
(Quelle: „Erwerbsquote“, Das neue Duden-Lexikon; Band 3 ; Seite 1 055)

 

      2. Man definiert also - so mein Eindruck - nach Absicht nach Zweck und begibt sich damit auf das weite Feld der Willkür.
          Man fühlt sich sofort an den Ausspruch erinnert:
                        „Ich glaube nur an die Statistik die ich selbst gefälscht habe!“

6. Die Arten von Erwerbstätigkeit:
6.1 Die nicht sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen:

      Es gibt Erwerbstätige, die einer so genannten nicht sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen.
      Dazu zählt man
                        (1) alle Beamten!
                                              
Sie zahlen keine Sozialabgaben! Es sind etwa 2,5 Millionen.
                        (2) die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft.

                                               Sie zahlen ebenfalls keine Sozialabgaben! Es sind nur verhältnismäßig wenige Personen.
                        (3) alle Erwerbstätigen, die über der Beitragsbemessungsgrenze für die Sozialsysteme liegen?
                                   Sie sind doch unterschiedlich hoch! ? Wie soll das funktionieren?
                        (4) alle geringfügig Beschäftigten.
                                               Das sind etwa 6,4 Millionen Menschen.
                        (Quellen:
                                   1. Fernsehsender ARD, Videotext-Tafel am 28. 08.2003
                                   2. „Job-Agenturen bleiben weit hinter ihren Zielen zurück“,
                                                                                              Handelsblatt vom 13.08.2003
                                   3. Fernsehsender N 24, Videotext-Tafel 119 vom 2.11.2003 (unter
                                                                                              Berufung auf den „Spiegel“)
                                   4. „Das Minijobwunder gibt Rätsel auf“, Handelsblatt vom 4.11.2003)

6.1.(4) Der Bereich der geringfügig Beschäftigten
            Auch im Bereich der geringfügig Beschäftigten gibt es Besonderheiten:
            Es gibt zunächst einmal zwei Arten von geringfügig Beschäftigten mit den unterschiedlichsten Regelungen:

         1. Die „geringfügig Beschäftigten mit einem Minijob bis 400 €“
         2. Die  „geringfügig Beschäftigten mit einem neuen Midi-Job, die zwischen 401 und 800 €“ verdienen.


         1. Der „geringfügig Beschäftigte mit einem Mini-Job bis 400 €“
                        1. Der „geringfügig Beschäftigte mit einem Minijob bis 400 €“ zahlt keine Sozialabgaben. (Er zahlt auch keine Steuern!)

                        2. Sein Arbeitgeber zahlt aber 
                                   11 % an die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und 12 % an die Rentenversicherung und 2 % als eine pauschale Steuer.

                        3. Ist nun dieser „geringfügig Beschäftigte mit einem Mini-Job bis 400 €“ in einem Privathaushalt beschäftigt, so muss sein Arbeitgeber nur
                                   5 % an die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und
                                   5 % an die Rentenversicherung und
                                   2 % als eine pauschale Steuer.
                                   (Davon kann er 10 % der Aufwendungen, max. 510 € im Jahr steuerlich absetzen!)

                        Trotzdem zählt jeder dieser geringfügig Beschäftigten wohl zu den nicht sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen. Dabei ist richtig, dass
                        er selbst keine Beiträge entrichtet!
                        (Quelle: „Das Minijobwunder gibt Rätsel auf“, (nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums für Wirtschaft und Arbeit),
                                                                                  Handelsblatt vom 4.11.2003)

 

         2. Der „geringfügig Beschäftigte mit einem neuen Midi-Job, der zwischen 401 und 800 €“ verdient.
 
                        1. Der „geringfügig Beschäftigte mit einem neuen Midi-Job, der zwischen 401 und 800 €“ verdient, zahlt zwischen
                                   4 % und 21 % Sozialversicherungsbeiträge je nach Einkommenshöhe und außerdem Steuern je nach seinem persönlichen Steuersatz.

                        2. Sein Arbeitgeber zahlt
                                   21 % Sozialversicherungsbeiträge  und wahrscheinlich auch Steuern.

                        3. Ist nun dieser „geringfügig Beschäftigte mit einem Midi-Job mit einem Verdienst zwischen bis 401 € und 800 € in einem Privathaushalt
                            beschäftigt, so zahlt sein Arbeitgeber wohl die üblichen Sozialversicherungsbeiträge (paritätische ?) und wohl die üblichen Steuern.
                            (Davon kann er 12 % der Aufwendungen, max. 2 400 € im Jahr steuerlich absetzen!)
                        (Quelle: „Das Minijobwunder gibt Rätsel auf“, (nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums für Wirtschaft und Arbeit),
                                                                                              Handelsblatt vom 4.11.2003)