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Der Nichtanwendungserlass des Bundesfinanzministers
(9)

(entnommen aus der ausführlichen Datei „Strukturfehler unserer Demokratie“)

Die Suche nach der idealen Demokratie
und die Suche nach dem erfolgreichen Vorgehen

aus der Serie:
Die Rettung der Demokratie in Deutschland

Teil A (Einzelelemente): Bestandsaufnahmen und Analysen
(12. März 2012)
(5. Oktober 2012)

 

Die These:
    Wer ein rechtmäßig zustande gekommenes Gesetz,
        das bereits in der Praxis angewendet worden ist und das bereits richterlichen Überprüfungen standgehalten hat, mit einem Erlass eines
        Bundesfinanzministers außer Vollzug setzen kann,
        o hat die Gewaltenteilung nicht verstanden,
        o stellt die dritte staatliche Gewalt über die erste staatliche Gewalt,
        o trickst das Parlament aus, das das Gesetz beschlossen hat und
        o trickst das Bundesverfassungsgericht aus, weil es nicht einschreiten kann.
        o trickst damit auch den Rechtsstaat aus.

Die Sachverhalte (als Vorgänge im Einzelnen aus der Realität):
    1. Wenn ein Bürger gegen eine Entscheidung des Finanzamtes vor dem zuständigen Gericht klagt und Recht bekommen hat, hat die Politik immer
        noch mehrere Möglichkeiten:
          1.  Die Veröffentlichung der Urteilbegründung im offiziellen Amtsblatt des Bundesministeriums wird verzögert.
              Dann kann sich kein anderes Gericht auf das Urteil berufen.
          2.  Wenn sich das nicht ewig hinauszögern lässt, erlässt der Bundesfinanzminister einen so genannten „Nichtanwendungserlass“!
              Damit kann das Gesetz nicht mehr angewendet werden!
              Unliebsame Steuergesetze werden also kassiert. (Gewaltenteilung ade!)
               (Quelle: „Nichtanwendungserlasse – Das BMF, der geheime Gesetzgeber“ in: Der Steuerzahler, Heft März 2008; Seite 48)
          3.  Die Finanzverwaltung versucht deshalb von vorn herein unliebsame Urteile zu vermeiden.
               Wird beispielweise nur ein Gerichtsbescheid erlassen oder ein Vergleich geschlossen, kommt es erst gar nicht zu einem Urteil, auf das sich andere Steuer-
              zahler berufen können.
              In diesen Fällen bedarf es dann nicht einmal eines Nichtanwendungsbeschlusses.
               (Quelle: „Nichtanwendungserlasse – Das BMF, der geheime Gesetzgeber“ in: Der Steuerzahler, Heft März 2008, Seite 48)
          4.  Mit einem Erlass eines Einzelnen (des Bundesfinanzministers) kann ein Gesetz, das Hunderte von Abgeordneten beschlossen haben, außer Kraft gesetzt werden.
               Damit kann das Gesetz nicht mehr angewendet werden – es ist unwirksam!
               Das Gesetz besteht zwar weiterhin – es kann nicht mehr angewendet werden!
               So ergeht es etwa 6 Gesetzen pro Jahr! Juristen nennen solche Gesetze „Totes Recht“!
               (Quelle „Gerichtspräsident: Minister missachtet Steuerurteile“, „Der Tagesspiegel“ vom 6.12.2008)

Die eigene Bewertung als Fazit:
    1. Die Gewaltenteilung wird nicht eingehalten –sondern sogar gleich in zweifacher Weise missachtet.
    1.1 Die zweite staatliche Gewalt stellt sich über die erste staatliche Gewalt.
             Ein hoher Vertreter der Exekutive (der Bundesfinanzminister) stellt sich über die Legislative (den Deutschen Bundestag).
            Der Bundesfinanzminister trickst also das Parlament aus, das das Gesetz beschlossen hat.
             Das ist nicht nur die Verabschiedung der Gewaltenteilung, sondern damit erhebt sich ein hoher Vertreter der Exekutive über die Legislative.
             Ein hohes Mitglied der Exekutive (der Bundesfinanzminister) stellt sich über die Legislative.
             Die zweite staatliche Gewalt stellt sich über die erste staatliche Gewalt.
            Die Exekutive stellt sich über die Legislative.
    1.2 Die zweite staatliche Gewalt missachtet die Funktion der dritten staatlichen Gewalt.
            Ein hoher Vertreter (der Bundesfinanzminister) trickst das höchste Gericht Deutschlands (das Bundesverfassungsgericht) aus.
            Das Bundesverfassungsgericht kann nicht einschreiten, weil es sich ja nicht um ein Gesetz, sondern um einen Erlass handelt.
            Die zweite staatliche Gewalt trickst die dritte staatliche Gewalt aus.
            Die Exekutive trickst die Judikative aus.

    2. Das Mehrheitsprinzip wird nicht eingehalten, sondern missachtet.
          Ein Einzelner (der Bundesfinanzminister) stellt sich über die Entscheidung einer Mehrheit eines Gremiums (des Parlaments).
          Eine einzige Person stellt sich über viele Personen.
          Mit einem Erlass, für den ein Einzelner verantwortlich ist, kann ein Gesetz, das in einem aufwendigen Verfahren und nach Diskussionen und Beratungen beschlossen
          worden ist, außer Vollzug gesetzt werden.
          Die zweite staatliche Gewalt missachtet das Mehrheitsprinzip.

    3. Die Stufen der Legitimierung werden nicht eingehalten, sondern ebenfalls missachtet.
         Der Bundesfinanzminister besitzt nur eine tertiäre Legitimierung; er wird vom Bundeskanzler, der nur eine sekundäre Legitimierung besitzt, vorgeschlagen.
          Die Abgeordneten des Parlaments sind primär vom Volke legitimiert worden, damit sie die Interessen des Volkes vertreten.
          Eine tertiär legitimierte Person stellt sich über primär legitimierte Personen.

    
4. Die zweite Gewalt trickst damit auch den Rechtsstaat aus.

Die offenen Fragen:
     Warum macht man das?
     Warum bittet der Bundesfinanzminister nicht das Parlament, so schnell wie möglich das ungeliebte Gesetz zu ändern oder außer Kraft zusetzen?
     Warum hat das Bundesverfassungsgericht keine Kompetenz über einen Erlass, sondern nur über Gesetze?
     Warum hat man die Kompetenzen und die Rangigkeiten von anderen Regelarten in mehr als 60 Jahren Bundesrepublik Deutschland nicht festgelegt?